Das Rocky-Prinzip

Rocky
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Das Rocky-Prinzip

Ein Schlag nach dem anderen, mitten ins Gesicht! „Rocky“ kann sich kaum noch auf den Beinen halten. Der Gegner holt ein weiteres Mal aus und trifft ihn wieder – diesmal mit solch einer Wucht, dass er umfällt. Er liegt am Boden.

Der Ringrichter zählt: „1 – 2 – 3 – 4 –5 – 6 …“ „Bleib liegen!“, beschwört ihn sein Trainer, denn er befürchtet bleibende Schäden seines Schützlings. „7 – 8 – 9“. Der übel zugerichtete Boxer steht aber wieder auf und kämpft weiter … Er schafft es bis zur letzten Runde: Ein Schlagabtausch folgt, beide Kämpfer sind schwer verletzt, sie taumeln, klammern sich aneinander – bis der erlösende Gongschlag ertönt. „Keine Revanche!“ sagt der Sieger. „Keine Revanche!“, bestätigt der Verlierer. Beide Gegner sind sich einig: Das war zu viel, zu hart, das tat zu sehr weh. Nie wieder!

Der amtierende Weltmeister behält als offizieller Sieger – nach Punkten – seinen Titel, doch der eigentliche Sieger ist der offizielle Verlierer: Die Menge jubelt ihm zu, sie umringt ihn begeistert. Denn er hat dem Weltmeister die Stirn geboten, er hat durchgehalten, er ist immer wieder aufgestanden!

Das Besondere an Rocky

Man muss kein Fan des Boxsports sein, um sich für die Rocky-Filme zu begeistern. Der damals noch unbekannte Schauspieler Sylvester Stallone wurde 1977 mit „Rocky“ ein Star. Es folgte eine Reihe weiterer Rocky-Filme, und auch die Filmreihe „Creed“ basiert darauf. Ich schaue mir die Rocky-Filme immer wieder an, seit vielen Jahren – und bekomme immer noch eine Gänsehaut.

Was ist das Besondere an Rocky? Er ist nicht der übliche Filmheld, der einfach alle besiegt und keine Niederlagen kennt. In jeder Folge muss Rocky einstecken. In Rocky III wird er sogar k. o. geschlagen und gibt sich zunächst auf. Doch aufgrund seines Trainers, seiner Freunde und nicht zuletzt seiner Frau bekommt er wieder seinen Biss und gewinnt den Kampf gegen seinen bisher schwersten Gegner.

Was ich selbst im Kampfsport lernte

Als Jugendlicher war ich aktiver Judoka und nahm auch erfolgreich an Wettkämpfen teil. Im harten Training, in dem wir besonders auf Kraft, Kondition und Kampf getrimmt wurden, kam der schwierigste Teil immer am Schluss: Man musste jeweils eine Minute lang gegen alle anderen Judokas kämpfen; am Anfang ging es noch, doch spätestens der letzte Gegner war unbesiegbar: der Trainer selbst. An einen Sieg war überhaupt nicht mehr zu denken. Man flog ständig durch die Luft, und es ging nur noch um eines: immer wieder aufstehen, mit allerletzter Kraft!

Das war eine wichtige Lektion für mein Leben, von der ich bis heute profitiere: Man kann nicht immer gewinnen, manchmal ist der Gegner einfach unbesiegbar. Aber es liegt an mir, ob ich auf dem Boden liegen bleibe und aufgebe – oder wieder aufstehe!

Rocky zeigt den Unterschied zwischen Siegern und Verlierern

Worin unterscheidet sich ein Sieger-Typ wie Rocky vom Verlierer-Typ oder „Loser? Dass er keine Niederlagen kennt? Hat er etwa immer Glück? Ist ein Sieger immer stark ist? Nein. Dass er nicht aufgibt, dass er es immer wieder versucht – bis er den Sieg erringt.

Einer meiner Lieblingsverse in der Bibel lautet: „Denn siebenmal fällt der Gerechte und steht doch wieder auf …“ (Spr 24,16). Die Bibel macht uns nichts vor. Sie verspricht uns nicht, dass wir immer nur von Sieg zu Sieg gehen. Sie kennt das menschliche Scheitern, sogar „der Gerechte“ – der Mann, der mit Gott geht – kann fallen, sogar häufig, aber mit Gottes Hilfe steht er wieder auf und geht weiter.

Wenn wir das auf verschiedene Lebensbereiche übertragen, wird es sehr realitätsnah und praktisch. In welchen Bereichen sind besonders wir Männer immer wieder gefährdet, zu „fallen“? Hier seien nur drei genannt:

Wo viele Männer fallen

Da ist einmal der Bereich Sexualität. Das Fallen kann sich hier z. B. dadurch äußern, dass wir unserer Frau untreu werden, die Ehe brechen. Der Maßstab Jesu ist hier sehr hoch: Bereits der begehrliche Blick auf eine (fremde) Frau gilt für ihn als Ehebruch. Mal ganz ehrlich: Wer von uns verheirateten Männern hat in diesem Sinne noch nie die Ehe gebrochen? „Aufzustehen“ könnte hier bedeuten, seine Augen wieder in den Griff zu bekommen, sich dafür zu entscheiden, in bestimmten Momenten wegzuschauen, seinen Augen „keine Nahrung zu geben“.

Ein zweiter Bereich ist Macht. Fast jeder von uns hat in gewisser Weise Macht über Menschen oder über bestimmte Bereiche. Macht kann durchaus gut eingesetzt werden – die Macht des Vaters über seine Kinder, des Vorgesetzten über seine Untergebenen, des Vermieters über seine Mieter, des Gemeindeleiters über seine Mitglieder usw. Wir fallen aber dann, wenn wir die Macht nicht zum Wohle der anderen einsetzen, sondern um uns selbst groß zu machen, notfalls auch gegen die anderen: wenn der Vater sein Kind unterdrückt, um ihm zu zeigen, wer „der Herr im Haus“ ist; wenn der Chef seine Angestellten ausbeutet, um sich dadurch zu bereichern; wenn der Leiter die ihm anbefohlenen Menschen von sich abhängig macht, um noch mehr Macht über sie zu haben. Viele andere Beispiele könnte man hier nennen. „Aufzustehen“ könnte hier bedeuten, sich zu entschuldigen und zu fragen: „Wie kann ich dir helfen, deine Ziele zu erreichen?“

Ein dritter Bereich ist Geld. Auch dieser Bereich ist zunächst neutral, er kann zum Bösen oder zum Guten verwendet werden. Die Grenzen sind hier fließend; oft entscheidet das Maß, ob wir Geld gut oder böse einsetzen. Wir fallen dann, wenn uns Geld zu wichtig wird, wenn wir Geld mehr zutrauen, als es leisten kann. Konkrete Beispiele: Wir können zu viel (Lebens-)Zeit investieren, um einen bestimmten Wohlstand zu erreichen oder aufrecht zu erhalten – auf Kosten unserer Gesundheit und unserer Beziehungen. Wir können uns einreden, erst ab einer bestimmten Menge von Geld wirklich glücklich zu sein. Wir können uns finanziell zu stark absichern, so dass wir am Ende mehr auf unsere Finanzen als auf die göttliche Versorgung vertrauen. „Aufzustehen“ könnte hier bedeuten, ein Maß zu finden, das man mit gutem Gewissen auch gegenüber Gott vertreten kann: Wie viele Versicherungen sind tatsächlich nötig? Wie viel Geld brauchen wir als Familie tatsächlich? Wie viel sollen wir in unsere Altersversorgung investieren, ohne dabei unser Gottvertrauen zu ersetzen?

Einzelkämpfer haben es schwer

Rocky hatte immer einen guten Trainer an seiner Seite. Immer wieder begegnen mir Männer, die nach dem Münchhausen-Prinzip versuchen, sich selbst aus ihrem Schlamassel zu ziehen. Ob es Probleme mit dem Arbeitsplatz sind, ein Gefühl der Überforderung, Eheprobleme, Probleme mit der eigenen Sexualität, Geldnöte – wir Männer neigen dazu, solche Probleme entweder alleine zu lösen oder notfalls unterzugehen; Hilfe wollen wir aber auf keinen Fall holen. Als Einzelkämpfer werden wir es sehr schwer haben, alle unsere Probleme zu lösen, zu Siegern zu werden. Wahrscheinlicher ist es, dass wir immer wieder mit denselben Problemen herumkämpfen werden, Verlierer bleiben und immer mehr den Glauben an uns selbst verlieren.

Ohne Zweifel: Es kostet die meisten Männer Überwindung, auf jemanden zuzugehen und um Hilfe zu bitten. Auch mir fällt das nicht leicht. Genau hier setzt aber eine gute „Männerarbeit“ an: Wo ist der geschützte Raum, in dem wir Männer unsere Schwächen zeigen können, in dem wir um Hilfe bitten können – ohne dabei das Gefühl zu haben, unser Gesicht zu verlieren? Das könnte eine Männergruppe sein, die sich regelmäßig trifft. Oder ein guter Freund oder Mentor, dem ich mich anvertraue. Oder ein Ratgeber, von dem ich mir Tipps hole.

Hilfe zu holen ist keine Schande

Wenn Sie in einem Bereich nicht weiterkommen, gehen Sie auf jemanden zu. Sie werden feststellen, dass Sie nicht der Einzige mit solchen Problemen sind. Andere sind aber vielleicht ein Stück weiter als Sie selbst und können Ihnen helfen. Sie müssen nicht auf der Verliererseite bleiben!

Keine Angst: Es bleiben noch genug Bereiche übrig, in denen Sie alleine Ihren Mann stehen dürfen oder müssen. Nach meiner aktiven Zeit als Judoka, die durch den Umzug meiner Eltern von der Stadt aufs Land beendet wurde, musste ich mir einen anderen Sport suchen. Da es keinen Verein in der Nähe gab, habe ich zu Hause mit Hanteltraining begonnen – Fitness-Studios gab es damals nur relativ wenige. Eine der besten Übungen ist das Bankdrücken: Man liegt auf einer Bank und drückt eine relativ schwere Langhantel mehrmals nach oben. Einige Male ist es mir passiert, dass ich mich selbst überschätzte und die letzte Wiederholung nicht mehr schaffte – das war nicht ungefährlich, denn die schwere Hantel lag dann auf meiner Brust. Ist jemand in der Nähe, kann man ihn notfalls bitten, zu helfen. Die Hilfe besteht lediglich darin, dass der andere am Kopfende steht und mit nur zwei Fingern (!) nachhilft, wenn man es nicht mehr schafft, die Hantel alleine nach oben zu drücken. Zwei Finger reichen aus.

Wenn ich als Mann in meinem Leben nicht weiterkomme, reichen oft „zwei Finger“ eines anderen aus, damit ich ans Ziel komme: ein ermutigendes Wort, ein Rat, die Vergewisserung von Solidarität, ein Gebet.

Bleiben Sie nicht liegen, und stehen Sie immer wieder auf, dann werden auch Sie zu einem „Rocky“, einem Sieger!

„Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“

Bertolt Brecht

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