Wider den heiligen Ernst

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Wider den heiligen Ernst

Vor einiger Zeit war ich in einem Seminarhaus, in dem gerade ein Kurs zur Selbstfindung endete. Die Gruppe umfasste 14 Teilnehmer – 3 Frauen und 11 Männer! – Na, wer sagt’s denn! Es war schön, die Ausgelassenheit, Lebendigkeit und Freiheit der Männer zu erleben. Ich tanzte zwei Stunden lang mit ihnen im Seminarraum herum, obwohl wir uns gar nicht kannten … Mehr davon!

Fremdwort „Ausgelassenheit“

Dieses schöne Wort „Ausgelassenheit“ scheint aus dem Sprachgebrauch mancher Gemeinden gestrichen worden zu sein. Es wurde offensichtlich ersetzt durch den Begriff „Ernsthaftigkeit“. Unter dieser Ernsthaftigkeit wird ein hochkontrolliertes Benehmen verstanden, welches jegliche Spontaneität, Lustigkeit und unbekümmerte Lebensfreude unterdrückt. Das könnte ja ausarten in „weltliches“ Verhalten, sodass man seine Freiheit leben möchte und dieses muss mit allen Mitteln unterbunden werden. Vor kurzem las ich eine Gemeindeordnung, die bis ins Detail das „gottgefällige“ Benehmen ihrer Leute zu bestimmen versuchte. Vom Haarschnitt über die „richtige“ Kleidung und das Verbot für die Gemeindemitglieder, ein „weltliches“ Lokal zu betreten, war alles geregelt. In einer anderen Gemeindedarstellung, von der mir jemand berichtete, sollten sich die Mitglieder vor allem von drei Dingen fern halten: Von Schokolade, Instrumentalmusik und Schwulitäten. Wer mag gerade auf diese Auswahl gekommen sein?!

Wenn Christus uns zur Freiheit befreit hat, warum haben gerade Christen dann so schreckliche Angst vor der Freiheit? Jeder Mensch sehnt sich nach der Freiheit, er selbst sein zu können bzw. zu dürfen und angenommen zu sein, wie er ist. Und ehrlich gesagt: auch Gott möchte der sein, der er ist und angenommen werden, wie er ist! Aber wir überziehen sowohl Gott als auch die Menschen, die sich glücklicherweise einmal zu ihm bekehren, mit einer Unzahl geschriebener und ungeschriebener Gesetze und Regeln, die dazu führen, dass keinerlei Freiheit übrig bleibt – höchstens eine geheuchelte.

Repression contra Männerfreiheit

Männer erleben den Anspruch des Christentums bzw. Gemeindetums häufig als genauso repressiv wie den Anspruch ihrer Arbeitswelt: Sie sollen eine Rolle spielen und eine Funktion ausfüllen – aber sie selber sein und in Freiheit leben, das sollen sie bitte nicht. Männer laufen mit der gleichen Entfremdung von sich selbst am Sonntag in die Gemeinde wie am Montag zur Arbeit. Es ist an diesem Punkt kein Unterschied zwischen „Welt und Kirche“. Die Systeme auf beiden Seiten fordern Unterordnung und Anpassung und versprechen dafür Ordnung und Sicherheit. Wer die Menschen dabei wirklich sind, ist gar nicht wichtig. Hauptsache, sie kommen, passen sich an und tun, was erwartet wird. Ist der Anpassungs- und Erwartungsdruck hoch genug, bringt er die eigene Entwicklung in einem Mann zum Stillstand oder aber diese schiebt sich in eine verborgene und unzugängliche Ecke, worüber sich ja so viele Frauen beschweren.

An Jesus können wir gut die „Freiheit eines Mannes“ sehen. Er passt sich, sondern steht im Dauerkonflikt mit den repressiven Systemen seiner Zeit – ob weltlich oder fromm. Er beharrt darauf, dass er nicht gekommen ist, uns das nächste religiöse System aufzubürden, sondern das Leben zu bringen – und das im Überfluss. Dieses Leben fließt dabei nicht aus der Anpassung an ein institutionelles Regelwerk, sondern aus der Begegnung mit dem Vater. Begegnung ist der Schlüssel zum Leben. Dies muss uns klar sein. Jegliche Gemeindearbeit sollte primär dieser Begegnung mit Gott dienen, alles andere kommt danach.

„Ich lebe…und ihr sollt auch leben.“ (Johannes 14,19)

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Dieter D.
Dieter D.
5 Jahre zuvor

Ja Frank, auch hier sehe ich mich – irgendwie den Regeln unterworfen.
Von einer Pfingstgemeinde 10 Jahre geprägt. Da war es normal, im Lobpreis sich dem Hl. Geist hingeben zu können, das Öffnen meines Herzens zu erleben, mich dem Danken und Loben hingeben zu können und dürfen. Die „Führung“ des Hl. Geistes waren Singen, Klatschen, Jubeln, Zungenreden, Prophetische Worte weitergeben….
Jetzt in einer freien evangelischen Gemeinde, fehlt mir all das. Hier wird zwar ein vertiefendes Evangelium gepredigt, jedoch ansonsten eher so verstockt und steif, ja nicht mal klatschen ist normal – fast verboten – z.B. bei einem Gesangsvortrag…
Es ist einfach frustrierend…