Männliche (und natürlich auch die weibliche) Sexualität ist vielschichtig. Sie nur auf den Geschlechtsakt zu reduzieren, ist völlig unangemessen. Viele Missverständnisse und Probleme resultieren aus genau dieser Reduzierung.
Nachfolgend sollen einige Aspekte der männlichen Sexualität kurz beleuchtet werden:
Sexuelle Probleme sind keine sexuellen Probleme
„Ich bekomme meine Pornosucht nicht in den Griff!“ – So oder ähnlich klagen viele Männer, besonders in christlichen Kreisen. Meist wird dies nicht laut ausgesprochen, sondern nur im Stillen gedacht, gefühlt – und durchlitten. Sollte sich ein Mann doch mal öffnen, gibt es oft zwar gut gemeinte, aber nicht unbedingt hilfreiche Tipps. Sie folgen in der Regel dem Schema: „Wende das Prinzip XY an, und du bekommst dein sexuelles Problem in den Griff! Bei mir hat es auch geklappt.“
Hierbei wird nicht berücksichtigt, dass die männliche Sexualität sehr individuell und komplex ist. Das ultimative Prinzip, das der eine Mann vielleicht für sich als hilfreich entdeckt hat, kann sich beim anderen als nutzlos erweisen. Außerdem übersieht man dabei gerne: Sexuelle Probleme sind im Kern meistens gar keine sexuellen Probleme! Um sie zu lösen, reicht es nicht aus, bestimmte Taktiken anzuwenden. Auch die Moralkeule hilft nicht weiter. Sie produziert oft sogar weiteres Scheitern. Wesentlich effektiver und nachhaltiger ist es, dem eigentlichen Problem hinter dem sexuellen Problem auf die Spur zu kommen.
Männliche Sexualität und Identität
Sexualität hat sehr viel mit der eigenen Identität zu tun. Jeder Mann erlebt seine ganz eigene Sexualität. Diese wird von vielen individuellen Faktoren beeinflusst: Genetische Veranlagung, Gesundheitszustand, Erziehung, frühere sexuelle Erfahrungen, Arbeitsbelastung, Medienkonsum, Ernährung u. a. Das alles wirkt sich auf das sexuelle Erleben aus.
Beispiel: Wenn ein Mann Erektionsprobleme hat, muss das nicht unbedingt biologische Ursachen haben. Es könnte auch daran liegen, dass er zu viel arbeitet oder im Dauerstress ist. Wenn er sich dann auch noch exzessiv pornografischem Material aussetzt, um überhaupt noch einen hoch zu bekommen, landet er in einem Teufelskreis.
Die Lösung könnte so aussehen: Das Leben jenseits der Arbeit neu entdecken, bewusst Freizeit einplanen, Hobbys pflegen, Freunde treffen – und insgesamt einen entspannteren Lebensstil führen. Arbeit ist wichtig, aber das Leben ist mehr als Arbeit! Hilfreiche Fragen zur Selbstreflexion wären z. B.: „Warum arbeite ich eigentlich so viel? Brauche ich (mehr) Anerkennung? Lebe ich vielleicht an meiner Berufung vorbei?“
Männliche Sexualität und Beziehungen
Männliche Sexualität – auch Selbstbefriedigung – hat immer auch etwas mit Beziehungen zu tun, selbst bei einem noch so isolierten Single-Mann. Was jeder Mensch sucht, ist Gemeinschaft bzw. Zugehörigkeit/Verbundenheit, aber auch Anerkennung und Liebe. Selbst der härteste Mann sehnt sich in seinem Inneren nach genau diesen Dingen, auch wenn es ihm oft nicht bewusst ist. Gibt es hier einen Mangel, kann das u. a. sexuelle Probleme auslösen oder begünstigen.
Die Sehnsucht nach Verbundenheit oder Zugehörigkeit ist aber gar nicht erotischer Natur. Daher sollte man sich bei Süchten – auch bei einer Pornosucht – fragen: „Welche Sehnsucht steckt hinter dieser Sucht? Was suche ich eigentlich? Und wie kann ich das auf gute Weise finden und leben?“
Beispiel: Weil ein Mann zu wenig Anerkennung im Beruf erlebt und auch seine Frau ständig an ihm herumnörgelt, flieht er in pornografische Scheinwelten allzeit williger Gespielinnen, die ihm völlig hingegeben zu sein scheinen. Hier fühlt er sich als der Boss! Die Lösung besteht nicht primär im Installieren einer Filtersoftware. Dies kann zwar nützlich sein, um erst gar nicht auf bestimmten Seiten zu landen. Aber das geht nicht tief genug. Man könnte sich ehrlich fragen: „Welche Art von Anerkennung wünsche ich mir? Was kann ich selbst dazu beitragen? Warum nörgelt meine Frau immer an mir herum, und wie kann ich ihr entgegenkommen, ohne die eigenen Bedürfnisse zu vernachlässigen?“
Männliche Sexualität und Lust
Nicht nur die sexuelle Lust von Mann und Frau ist unterschiedlich ausgeprägt, sondern auch die der verschiedenen Männer. Hat der eine Mann mit einer schier überwältigenden sexuellen Potenz zu kämpfen, hat der andere eher Probleme, mit seiner Partnerin überhaupt mitzuhalten. Dies kann biologische und psychische Ursachen haben, auch Lebensumstände und Lebensphasen spielen eine Rolle. Das zügellose Ausleben des Geschlechtstriebs ist genauso wenig die Lösung wie das Aufputschen durch Viagra.
Beispiel: Der mit seiner Lüsternheit kämpfende christliche Mann wird sie meistens nicht durch ein punktuelles Gebet oder mit geistlichen Übungen beseitigen können. Manche Männer erleben das zwar, aber meistens braucht es einen längeren Prozess der Transformation. Der beginnt mit einem Schuldbekenntnis und mündet in einen veränderten Lebensstil. Erotik und Lust sind Gottes Erfindung (man lese das Hohelied Salomos) – Pornografie und Lüsternheit nicht! Hier gilt es zu unterscheiden.
Hilfe holen
Wir können auch mit unserer Sexualität – wie mit allen anderen Bereichen des Lebens – vor Gott kommen, immer wieder. Er kennt uns und unsere tiefsten Bedürfnisse. Hilfreich kann es auch sein, sich einem Mann des Vertrauens zu öffnen. Auch eine christliche Männergruppe kann helfen, Scham und Selbstverachtung aufgrund sexueller Nöte oder Schuld hinter sich zu lassen. Man wird dabei schnell feststellen, dass man nicht der Einzige mit (sexuellen) Problemen ist!
Das waren nur einige wenige Beispiele dafür, wie individuell und vielschichtig unsere Sexualität ist und von wie vielen nicht-sexuellen Faktoren sie abhängig ist. Übernehmen Sie nicht die platten und wirklichkeitsfremden Standards, die uns von den Medien vorgegeben werden. Entdecken Sie Ihre Sexualität. Sie ist einzigartig und darauf angelegt, eine „Sprache der Liebe“ zu sein.
Hallo,
ernsthaft? Sexualität soll etwas Schönes sein? Ja, meinetwegen, Gott mag es geschaffen haben. Seid fruchtbar und vermehret Euch. Vielleicht beschert Sex aufregende Momente. Aber warum? Nur damit Menschen sich fortpflanzen. Würde es nicht so sein, dann würden Menschen keinen Sex haben und sich auch nicht vermehren. Aber was entsteht daraus noch? Beziehungsdramen, Sexsucht, Missbrauch, Vergewaltigung, Krankheiten. Selbst in einer Ehe hat es viel negatives. Nein, Sex mag von Gott kommen. Zur Vermehrung, aber niemals als Geschenk.
Nein, niemals mehr in meinem Leben will ich Sex haben. Ist einfach nur ekelhaft.
Giulia
Liebe Giulia, es tut mir sehr leid, dass Sie Sexualität nicht als etwas Schönes erlebt haben. Sie kann es aber durchaus sein, wenn sie Ausdruck einer Liebesbeziehung ist und auf die Bedürfnisse des anderen Rücksicht nimmt. Wenn Sexualität nicht „Sprache der Liebe“ ist sondern nur Mittel zur Fortpflanzung, Triebbefriedigung, der Ausbeutung oder was auch immer, dann wird sie ihrer eigentlichen, göttlichen Bestimmung nicht gerecht.
Liebe Guilia,
es tut mir sehr leid, dass deine Erfahrungen mit Sexualität bisher so negativ waren. Es muss sehr schmerzhaft für dich sein, dass du diesen Teil von dir (und anderen) nicht genießen kannst, aber unsere Sexualität ist uns nicht nur zur Fortpflanzung gegeben, sondern auch als ultimativer Ausdruck seelischer und körperlicher Intimität. Jesus möchte uns in unseren irdischen Beziehungen zeigen, was Intimität bedeutet, völlige Offenheit und Vertrautheit, und er nennt sich selbst den Bräutigam und die Gemeinde die Braut, um uns dieses Konzept näher zu bringen. Wenn du diese Intimität noch nicht erfahren hast, heißt das nicht, dass sie nicht in Gottes Plan ist. Hier braucht es tiefe Heilung und Erkenntnis, um dieses wunderbare Geschenk zu empfangen. Das wünsche ich dir von ganzem Herzen!
Hallo Keren,
schmerzhaft? Nein, schmerzhaft war das, was ich erlebt habe. Und nein, jegliche Form von Intimität lehne ich ab. Ich lasse es nicht zu, dass mir jemand körperlich oder emotional zu Nahe kommt.
Ich bin vor alldem nicht geschützt worden. Von niemandem. Also schütze ich mich selber indem ich niemanden Nahe an mich heran lasse. Indem ich solche Menschen und Situationen, ich denen ich verletzbar sein könnte, vermeide. Und ich fahre gut damit. Es kommt zwar hin und wieder vor, dass mich jemand kennenlernen möchte, aber das blocke ich komplett ab.
Gottes Plan? Wenn das was ich erlebt habe ein Plan sein soll, dann will ich den Rest davon lieber nicht wissen. Insofern glaube ich auch nicht an einen Plan. Selbstschutz indem ich vermeide. Es gibt nichts besseres.