Biblische Vätergestalten

Josef und Maria
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Biblische Vätergestalten

Abram – das Urbild des Glaubens

Aufbrechen in hohem Alter

„Und der HERR sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein.“ (1 Mose 12,1ff.)

„Gang uz dir uz“, empfiehlt auch Meister Eckhart und meint damit das Lassen des narzisstischen, verletzten, beleidigten Egos und die Hinwendung zum Menschen, der mich jetzt gerade braucht. Abram ist das Urbild des Mannes, der von sich weggeht, dorthin wo er nichts ist und ihn niemand kennt. Er fängt in hohem Alter bei null an. Er ist aus seinem Land, seiner Verwandtschaft und seinem Vaterhaus ausgezogen. Seine Wanderkarte ist nur der Ruf Gottes, welcher ihm ins Herz geschrieben ist.

Gut sein für diese Welt

Abram lebt in einer großen Verheißung. Diese ist Motiv seines Wanderns: Segen zu sein, Land und Nachkommen zu erhalten, einen großen Namen zu tragen. Das heißt: Für diese Welt gut zu sein, Lebensraum, Entfaltungsraum zu erhalten und sein Leben als einzigartiger Mann fruchtbar zu machen. Wer von uns Männern möchte das nicht?

Mit Abram auf dem Pilgerweg zu sein, heißt nicht nur, geografische Veränderungen zu vollziehen. Es bedeutet auch, alte Denk- und Verhaltensmuster zu verlassen und sich immer wieder auf einen Perspektivenwechsel einzulassen. Ich breche z. B. auf aus der Gewohnheit der ungeordneten Ess- und Trinkverhaltensweisen in ein Land der Mäßigung und der wachsenden Freude am einfachen, unkomplizierten Leben.

Alles geben und alles empfangen

Aus Abram wird Abraham (Vater der Menge). Er wird tatsächlich reich beschenkt, zunächst mit einem Sohn – allerdings nicht von seiner Frau Sara, sondern von der Magd Hagar. Abraham zeigt Schwäche. Er schickt sie mit ihrem gemeinsamen Sohn Ismael, dem Stammvater der Muslime, in die Wüste, weil Sara es so will. Abraham gibt nach. Er zeigt in diesem Falle wenig Standhaftigkeit.

Seinen Verheißungsträger und Sohn Isaak ist er bereit zu opfern. Die Erhöhung auf Morija ist ein geheimnisvolles Kapitel der Bibel. So heißt es: „Und er sprach: Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sagen werde.“ (1 Mose 22,2) Abraham gibt alles, er scheut die „Akedah Isaaks“ (d. h. Bindung Isaaks) nicht, er behält nichts für sich zurück. Er geht sozusagen auf volles Risiko, und er wird wieder so reich beschenkt: Sein Sohn Isaak wird ihm nicht genommen, und Abraham wird zum Segen für alle Völker der Erde, weil „du meiner Stimme gehorcht hast“ (1 Mose 22,18).

Es geht um Gott

Mutige Männer, die es wagen, sich selbst und ihr Liebstes in die Waagschale des Lebens zu werfen, sind selten. Heute würden Männer wie Abraham vermutlich für dumm oder gefährlich gehalten werden. Aber ist nicht das Leben mit Gott alles andere als banal, angepasst und brav? Ist es nicht vielmehr für alle Glaubenden ein Abenteuer, ein Wagnis, ein irgendwie schwer kalkulierbares Risiko? Das einzige, worauf Abraham sich verlassen konnte, war Gott selbst: sein Wort, sein Ruf, seine Verheißung. Von Abraham können wir lernen, dass sich nicht alles um uns dreht, sondern dass es in diesem Leben vor allem um Gott geht. Er wird früher oder später alles zum Guten, zum Segen für uns und diese Welt wenden.

Jakob – immer in Schwierigkeiten und doch so gesegnet

Gott schreibt auf krummen Wegen gerade

Am Stammvater Jakob wird deutlich, wie krumm die Wege der biblischen Männer sein können. Gott schreibt dennoch seine Zeilen in das Leben dieser brüchigen Gestalten. Jakob, was im Hebräischen so viel bedeutet wie „Gott beschützt“ oder auch „der Fersenhalter“ hat einiges auf dem Kerbholz. Wer meint, dass innerfamiliäre Konflikte unbiblisch seien, irrt sich gewaltig. Jakob nützt die lebensbedrohliche Not seines älteren Zwillingsbruders Esau schamlos aus und betrügt ihn mit dem sprichwörtlichen Linsengericht um dessen Erstgeburtsrecht; er bringt den Bruder mithilfe seiner Mutter Rebekka sogar um den wichtigen und prestigeträchtigen Segen des alten und erblindeten Vaters Isaak.

Jakob muss vor seinem hasserfüllten Bruder fliehen und gerät in Haran in einen neuerlichen Familienstreit mit seinem Onkel Laban und den beiden Schwestern Rahel und Lea. Umsonst dient er sieben Jahre lang seinem Onkel. Er erhält dafür nicht die schöne Rahel zur Frau, sondern Lea. Mit einem Trick „erkauft“ er sich nach weiteren sieben Jahren doch noch die Freiheit mit Rahel. Jakob ist gesegnet, doch sein Weg ist alles andere als unbekümmert und einfach. Er gerät selbst in die Mühlen des Betruges, des Konkurrenzkampfes und der Hinterlist und lässt sich dennoch nicht unterkriegen.

Vom Betrüger zum Gotteskämpfer

Schließlich stellt er sich am Jabbok seiner verworrenen Vergangenheit und bereitet sich auf die Begegnung mit seinem Bruder Esau vor. Am Fluss ringt er mit einem Mann, bis die Morgenröte aufsteigt. Dort spricht er das denkwürdige Wort: „Ich lasse dich nicht los, bevor du mich segnest.“ (1 Mose 32,27) So wird er als Verwundeter zum „Israel“, d. h. „Gotteskämpfer“, der mit Gott und Menschen kämpft und auch gewinnt.

Jakob ist gewiss nicht in jeder Hinsicht ein Vorbild. Ehrlich und schonungslos zeigt die Bibel seine Schwächen auf. Andererseits wird an diesem Stammvater auch sehr deutlich, wie stark die Präsenz Gottes in das jämmerliche Leben der Menschen hineinwirkt. Sein Segen ist stärker als alle menschliche Niedertracht. Von Jakob können wir zum Beispiel lernen, unsere Erwartungen an ein hehres Familienidyll nicht zu hoch zu stecken. Die Jakobsgeschichte erdet – so gesehen – uns Männer. Jakob hat vieles „falsch“ gemacht, aber eines kann man ihm nicht vorwerfen: dass er sein Leben tatenlos und feige vertan hat. Jakob packt an, er nimmt sich, was er braucht, er riskiert; Jakob kämpft, und letztlich gewinnt er sehr viel: Steinalt verlässt er diese Welt. Zuvor segnet er seine zwölf Söhne und wird am Ende auf eigenen Wunsch in Mamre am Grab Abrahams mit seinen Vorfahren vereint …

Josef – die stille Antwort auf Gottes Ruf

Der Mann am Rande

„Josef – er ist der Mann am Rande, im Schatten. Der Mann der schweigenden Hilfe … Immer neue Weisungen und neue Sendungen, neuer Aufbruch und neue Ausfahrt … Er ist der Mann, der ging. Das ist sein Gesetz: der dienstwillige Gehorsam. Er ist der Mann, der dient. Dass ein Wort Gottes bindet und sendet, ist für ihn selbstverständlich. Die dienstwillige Bereitschaft, das ist sein Geheimnis.“ (Alfred Delp, 1907-1945)

Josef ist mit Sicherheit kein Mann der großen Worte. Von Josef (hebr.: Wachstum, Vermehrung) selbst ist bei den beiden Evangelisten Matthäus und Lukas kein einziges Wort überliefert. Spärlich tritt er in der Bibel auf, und auch in der Kunstgeschichte übernimmt er eine bedeutsame Nebenrolle als alter Mann mit Bart und weißer Lilie, so etwa im (post-) weihnachtlichen Geschehen. Er ist übrigens einer der ganz wenigen Männer in der Bibel, über die nichts Negatives berichtet wird. Was ist denn von ihm biblisch überliefert?

Der Mann mit Verantwortung

Er gilt als „gerecht“, und er wollte seine – nicht von ihm schwangere – Braut Maria heimlich verlassen, um sie vor dem Spott der Menge zu verschonen. Ein Engel ist es schließlich, der ihn daran hindert, aus dem Leben Marias zu entschwinden, denn „das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist“ (Mt 1,20). Wer hindert die vielen modernen Väter daran, ihre Kinder und deren Mütter zu verlassen? Hören sie noch auf ihre Träume? Oder lassen sie sich vom Mainstream und von der Diktatur des Relativismus beeinflussen? Frönen sie dem grenzenlosen Egoismus, bei dem letztlich gar nichts mehr verbindliche Bedeutung hat?

Das muss man sich mal vorstellen: Da wird ein Mann mit einer verrückten Botschaft konfrontiert – und glaubt sie auch noch, zieht die Konsequenzen daraus! Josef übernimmt als Nährvater die volle Verantwortung für die Frau und deren Kind Jesus. Als Tekton, d. h. (Bau-)Handwerker, sorgt er für sie, flieht nach der Geburt mit den beiden vor dem wütenden Herodes nach Ägypten und wird dem kleinen Jesus ein guter Ziehvater. Josef schützt seine kleine, ihm anvertraute Familie.

Der Mann mit zuverlässigem Charakter

Wie viel männliche (herodianische) Energie wird für die Zerstörung menschlichen Lebens und der Umwelt verschwendet? Wie viel Kraft vergeudet der Mann, um die Macht des Stärkeren walten zu lassen? Josef ist in dieser Hinsicht ganz anders. Sein Verantwortungsbewusstsein entstammt – biologisch unabhängig – nicht einmal dem bisschen Erregung beim Geschlechtsakt. Es gilt dennoch uneingeschränkt und absichtslos dem Kind und seiner Mutter. Josef hat einen zuverlässigen Charakter und könnte auch ein Modell für viele moderne Patchworkfamilien, für Stief- oder Adoptivvaterschaften sein.

Was können wir von Josef lernen? Wenn er wirklich gerecht (hebr. zaddíq; gr. díkaios) ist, dann steht er bestimmt im rechten Verhältnis zu sich selbst, zu seinen Mitmenschen und zu Gott. Er benachteiligt somit niemanden und lebt und tut genau das, was die Tora, sein Herz und sein gesunder Menschenverstand ihm anraten. Josef ist fromm im besten Sinn des Wortes: Er ist nicht nur als Arbeiter in dieser Welt zu gebrauchen, er macht sich in jeder Hinsicht – so auch als Nährvater für Jesus – nützlich, auf ihn ist Verlass.

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