Josef, der Mann im Hintergrund

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Josef, der Mann im Hintergrund

Nur wenige Verse des Neuen Testaments (z. B. Mt 1,18-20.24) berichten von Josef, dem Pflegevater von Jesus. Seine Zeit ist die der weihnachtlichen Krippenspiele – danach hat an Josef aber wieder kaum jemand größeres Interesse. Warum eigentlich? Für mich ist Josef einer der ganz Großen, ein Vorbild, wie man(n) erfolgreich Beziehungen leben kann. Es lohnt sich, ihn besser kennenzulernen.

Josef – Mann der Tat

Auffällig ist zunächst: Die Bibel überliefert kein einziges gesprochenes Wort von Josef. Das heißt nicht zwingend, dass er wirklich ein stiller, schweigsamer Typ war. Es ist aber aufschlussreich, denn wir kennen verschiedene Worte, die Gott zu Josef sprach. Was dieser damit praktisch machte, ist offenbar wichtiger, als das, was Josef sagte. „Liebe darf sich nicht in Worten und schönen Reden erschöpfen; sie muss sich durch unser Tun als echt und wahr erweisen“, schreibt Johannes in einem seiner Briefe (1 Joh 3,18 – Neue Genfer Übersetzung). Josef hat genau dies gelebt.

Gnade vor Recht

Seinen ersten Auftritt hat er, als Maria, seine Verlobte schwanger wird, aber nicht von ihm. Sehr gnädig reagiert er da: Josef verzichtet auf sein Recht, Maria wegen offenbarer Untreue und unehelichem Sex öffentlich bloßzustellen. Es liegt nahe, dass er sie liebte und dass ihn diese Schwangerschaft enorm verletzt haben muss. Trotzdem übt Josef keine Rache. Als Gott ihn dann sehr direkt auffordert, Frau und Kind dennoch zu sich zu nehmen, gehorcht er sofort. Damit riskiert er sehr viel, mindestens seinen guten Ruf als moralisch untadliger, frommer Jude.

Josef – Vater zum Anfassen

Die politischen Umstände zwingen Josef wenig später zu einer langen, beschwerlichen Reise mit der schwangeren Maria nach Bethlehem. So verbringt er vor, während und nach der Geburt seines Pflegesohns Jesus wahrscheinlich deutlich mehr Zeit mit seiner kleinen Familie als unter normalen Lebensumständen. Gleiches gilt später auch mit Blick auf die Flucht der drei nach Ägypten. Hierzu fordert Gott Josef mitten in der Nacht auf – und wieder gehorcht er direkt. Würde auch ich mich auf Gottes Reden hin mitten in der Nacht ins Auto setzen und mit meiner Familie auf unbestimmte Zeit ins ferne Ausland fliehen?

Die Emigration nach Ägypten kostet ihn fast alles: den Schutz der Großfamilie, die berufliche und wirtschaftliche Existenz, dazu alle damit verbundenen Lebenspläne. Er ist bereit, diesen Preis in schlichtem Gehorsam zu zahlen – für ein Kind, das nicht einmal sein eigenes ist! Später wird Jesus davon sprechen, dass er seine Jünger so liebt wie sein eigener Vater ihn geliebt hat (Joh 15,9). Gut möglich, dass er dabei nicht nur seinen himmlischen Vater, sondern auch Josef vor Augen hatte – und dass Jesu Beziehungsfähigkeit auch Abbild der engen Gemeinschaft war, die er in frühester Kindheit mit seiner Mutter und (für die damalige Zeit eher ungewöhnlich) seinem (Pflege-)Vater hatte.

Josef – ein erfolgreicher Vater

Das Letzte, was die Bibel ausführlicher über Josef berichtet, ist nicht ein erfolgreiches Projekt als Bautischler, sondern seine Begegnung mit dem zwölfjährigen Jesus im Jerusalemer Tempel. Kompromisslos deutlich grenzt dieser sich ab: „Mein wahrer Vater“, sagt Jesus sinngemäß, „bist nicht du, sondern der im Himmel!“ – War Josef wütend, verletzt und enttäuscht, nach allem, was ihn die Pflegevaterschaft gekostet hatte? Oder froh und dankbar, dass sein Sohn offenbar in einer persönlichen, vertrauensvollen Gottesbeziehung lebte? Die Bibel lässt dies offen und hüllt den weiteren Verlauf der Vater-Sohn-Beziehung wieder in ein Geheimnis. Schade – und doch ist gerade das für mich eine besonders kostbare, Mut machende Lehre aus Josefs Leben: Normale Väter, die ihren Kindern in schlichtem Gottesgehorsam helfen, den himmlischen Vater kennen und lieben zu lernen, sind erfolgreiche Väter (vgl. auch Psalm 112, 1+2) – egal ob sie in der ersten, zweiten oder dritten Reihe stehen.

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