Von der Krise zum mentalen Bodybuilding

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Von der Krise zum mentalen Bodybuilding

„Es läuft gar nicht gut. Meine Mama ist total im Stress. Meine Mama ist wirklich verwirrt. Wir mussten eine Pause machen, damit meine Mama herausfinden kann, wie dieses Zeug hier funktioniert. Ich sage euch: Es läuft gar nicht gut.“

Diese Zeilen hat der achtjährige Schüler Ben aus Kentucky Mitte März geschrieben; seine Mutter Candice hatte sie auf Facebook gepostet. Vielleicht, weil sie diese kindliche Ehrlichkeit niedlich fand. Vielleicht aber auch, weil das, was ihr Sohn geschrieben hatte, so anders war als das Bild, das sie von sich selbst in der Corona-Krise hatte. Während sie sich wahrgenommen hatte als eine Frau, die am Küchentisch effektiv Homeoffice und Homeschooling vereinbart, hatte Ben ein Nervenbündel erlebt, das die Dinge nicht mehr im Griff hat. 

Plötzliche Veränderungen

Kinder erwarten von ihren Eltern Souveränität – ebenso wie Mitarbeiter von ihren Vorgesetzten. Herausforderungen zu meistern, Krisen zu managen, gute Entscheidungen zu treffen und unter allen Umständen die gesteckten Ziele zu erreichen: All das ist ein meist ungeschriebener, aber umso fester Bestandteil der Jobbeschreibung. Oder?  

Professionelle Selbstsicherheit funktioniert besonders bei uns Männern in der Regel, wenn die gewohnte Umgebung stabil und beherrscht erscheint. Doch was ist zu tun, wenn plötzlich nichts mehr von dem gilt, was gestern noch für erdbebensicher erachtet wurde? Wenn all die Rahmenbedingungen wegfallen, innerhalb derer man mit erfolgserprobten Verhaltensweisen agierte?

Was ist zu tun, wenn plötzlich zwangsweise wochenlang Homeoffice angesagt ist? Wenn Vorgesetzte und Mitarbeiter unerreichbar sind, nach zwei Stunden Arbeit am Küchentisch der Rücken schmerzt und heulende Kinder die Videokonferenz torpedieren? Wenn die Sorge wächst, wie das alles denn funktionieren soll, wenn erste Kunden und Lieferanten nach der wirtschaftlichen Vollbremsung die Prozesse wieder hochfahren?

Unbewusster Rückzug 

Wir Männer konzentrieren uns gerne auf das, was uns bislang Erfolg brachte – und vermeiden, was unbequem ist oder Unsicherheit bedeutet. Wir retten uns in die Aktion, organisieren Kurzarbeitergeld, bewerben uns um Förderprogramme, und versuchen so, auch in der Krise zumindest nach außen hin die Form zu wahren. Fragen, Unsicherheiten, Sorgen und Ängste? Darum kümmern wir uns morgen dann. Irgendwie wird das schon. Irgendwann ist es ja schließlich vorbei.

Die Biologie ist bei diesen innerlich automatisch ablaufenden Prozessen eher nicht der Freund des Mannes. Die Damenwelt hat es in solchen Situationen aufgrund des Hormonhaushaltes besser. Männer tendieren in unbequemen Situationen dazu sich zurückzuziehen, manchmal von außen sichtbar – in anderen Situationen jedoch unsichtbar. Dies ist auch beim kleinen Ben schon zu beobachten. „Es läuft nicht gut.“ Zurückgezogen beschreibt er das Erleben aus Sicht eines Beobachters, der ausschließlich auf seine Umstände und andere darin handelnden Personen fixiert ist. Seinen eigenen Beitrag zum Entstehen dieser Situation liefert er nicht mit.  

Ans Überwinden glauben

Der US-amerikanische Soldat James B. Stockstale war siebeneinhalb Jahre lang im berüchtigten „Hanoi Hilton“, dem Hỏa-Lò-Gefängnis im vietnamesischen Hanoi, inhaftiert. Verletzt, misshandelt und gefoltert überlebte er dennoch diese Jahre. Auf die Frage nach dem Wie antwortete er: „Es gilt, nie den Glauben an das Überwinden am Ende zu verlieren. Denn man kann es sich nicht leisten, diesen zu verlieren. Das ist jedoch nicht zu verwechseln mit der Disziplin, sich den schwierigsten, brutalsten Fakten der gegenwärtigen Situation zu stellen, was immer sie auch sein mögen.“

Akzeptanz lernen

Die Fakten derzeit sind: Unsicherheit, Sorgen und Ängste sind Teil unseres Mannseins – besonders in Zeiten, in denen Antworten fehlen auf Fragen, die bis vor kurzem nur in Hollywood-Thrillern gestellt wurden. In der Krise sehnen wir uns nach Normalität, in der gelerntes Verhalten wieder zu vorhersehbaren Ergebnissen führt.

Was den achtjährigen Ben und den Soldaten Stockstale verbindet? Ben ist sich sicher, dass Stress und Überforderung es nicht richten werden. Dass etablierte natürliche Verhaltensmuster außerhalb gewohnter Situationen ins Chaos führen: „Ich sage euch: Es läuft gar nicht gut.“ Stockstale hat, mitten im Chaos, in emotionalem wie physischem Schmerz etwas gefunden, das ihn überleben ließ: die Gewissheit, dass es nichts bringt, sich vor den Fakten zu drücken. Der erste Schritt zur Bewältigung heißt Akzeptanz. Jeder weitere Schritt bedeutet seine durch Training erworbenen Fähigkeiten Tag für Tag neu einzusetzen.

Sich Zeit nehmen

Geschichten über die Corona-Krise werden auch in 20 oder 30 Jahren noch erzählt werden. So wie auch heute noch jeder eine Geschichte zum Tag des 11. September 2001 erzählen kann. Und doch ist es diesmal anders. Bei 9/11 waren die meisten lediglich Zuschauer, die gebannt auf die Geschehnisse in den USA blickten. Heute ist jeder von uns Hauptdarsteller des Corona-Narrativs. Die Geschichten, die unsere Kinder, Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten in 20 oder 30 Jahren über diese Zeit erzählen werden, hängen ab von Entscheidungen, die wir heute treffen. An diesen Entscheidungen wird man erkennen, ob wir uns Zeit genommen haben für die Sorgen, Ängste und Befürchtungen von Mitarbeitern, Vorgesetzten, Kunden oder der Familie oder eher sachlich mit Inhalten, Strategien und Plänen unterwegs waren. Ob wir herausgefunden haben, „wie das Zeug funktioniert“, ohne unsere inneren Ressourcen über Maßen zu strapazieren. 

Die Weiterentwicklungs-Chance ergreifen

Doch was ist, wenn ich über meine emotionale schwache Seite als Mann nicht offen reden kann oder will? Andererseits was hält mich davon ab, mir gerade jetzt Zeit zu nehmen, zu lernen wie ich mit eigenen Emotionen und denen meines Gegenübers besser umgehen kann? Männer, die sich gerade jetzt in der Krise entscheiden, auch in der Rolle eines Vorgesetzten, Mitarbeiters oder Vaters emphatisch, offen und als verletzlicher Mensch aufzutreten, gehen ein Risiko ein. Es kostet große Überwindung, sich auf diesen psychischen Lern- und Trainingsprozess einzulassen. 

Doch auch die Entscheidung, weiterzumachen wie bislang, ist mit einem Preisschild behaftet. Und diese Kosten stehen vermutlich bis ans Ende des Lebens in der Bilanz – als Bedauern, diese einmalige Weiterentwicklungs-Chance verpasst zu haben. Was als Krise gerade unsere Welt verändert, ist zugleich auch eine Möglichkeit, die es in dieser Form vermutlich so bald nicht noch einmal geben wird. 

Unsere mentalen Muskeln trainieren

Man sagt, in Entscheidungen, die Männer unter Druck in kritischen Situationen treffen, offenbart sich ihr Charakter. Mit unseren Entscheidungen verändern wir die Welt und beeinflussen den Verlauf der eigenen Geschichte und der uns anvertrauter, wichtiger Menschen. Starke und gute Entscheidungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie vom Ziel her gedacht werden. Chefs, Mitarbeiter, Kollegen, Familie und Freunde erwarten von uns als Mann, dass wir unsere Entscheidungen an Zielen ausrichten, und am Wohl uns anvertrauter Menschen.

Egal, wie gut wir mit eigenen Emotionen und denen des Gegenübers umzugehen vermögen, wir alle haben in Bezug auf diese Fähigkeiten viel Luft nach oben. Welche Zeit ist besser geeignet unseren Emotions- und Empathie-Muskel zu trainieren. Empathie fördert das Wachstum von Vertrauen. Vertrauen fördert Kreativität. Und Kreativität brauchen wir derzeit dringender als alles andere, um sicher aus der Krise zu kommen und uns auf das „neue Normal“ vorzubereiten.

Keiner würde heute die Geschichte von James B. Stockstale erzählen, wenn er sich nicht entschieden hätte, in seiner Krise jeden Tag neu sich mit Disziplin für das Überleben einzusetzen. Seine Entscheidung in seiner Krise macht seine Geschichten auch heute noch erzählenswert. Er entschied sich, seine (mentalen) Muskeln mit dem Ziel zu überleben täglich zu trainieren.

Mut zur Entscheidung!

Lassen Sie uns heute mutige, männliche Entscheidungen treffen! Lassen Sie uns gemeinsam lernen, wie wir mitten in der Krise unseren Emotions- und Empathie-Muskel stärken, zum eigenen Wohl und zum Wohl der Menschen, die von den Konsequenzen unserer Entscheidungen betroffen sind.

Was ich in den vergangenen16 Jahren gelernt habe über schwierige, hoch emotionale Gespräche, möchte ich gerne mit Ihnen teilen. Meine Erfahrungen aus mehr als 500 Projekten sowie persönlichen Erfolgen und Niederlagen habe ich komprimiert zu leicht nachvollziehbaren Schritten, die vielleicht auch Ihnen helfen, die emotionalen Seiten in Gesprächen nicht zu leugnen, sondern sie einzubringen und darin zu wachsen. Dies ist mein Beitrag zur Bewältigung der Krise.

Mein Wunsch ist, dass wir alle – und besonders Sie, Ihre Familie und Ihre Firma – gesund durch diese Zeit kommen. Und dass Sie eines Tages zurückblicken und eine positive Geschichte zu Corona erzählen können.

Den Leitfaden können Sie hier anfordern.

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