Seehaus e. V. entwickelt seit 20 Jahren erfolgreich Konzepte zum alternativen Strafvollzug, zur Kriminalitätsprävention und zur Opferhilfe.
Am Anfang stand die Vision, eine Alternative für den Strafvollzug zu schaffen. Sie sollte das Leben und die Haltung von jungen Strafgefangenen positiv verändern, das Thema Wiedergutmachung einer Straftat in den Mittelpunkt stellen und Tätern eine Opferperspektive vermitteln, Versöhnung ermöglichen und neue Kriminalitätsdelikte verhindern helfen. Seehaus e. V. hat dieses Modell als Strafvollzug in freien Formen in zwei Einrichtungen in Baden-Württemberg und Sachen erfolgreich umgesetzt. Darüber hinaus betreibt Seehaus e. V. an mehreren Standorten in Baden-Württemberg spezielle Beratungsstellen für Opfer von Straftaten.
Positives Sozialverhalten stärken
Der Strafvollzug in freien Formen versteht sich als Lebensschule und gibt jungen Gefangenen die Chance, eine umfassende Lebensveränderung vorzunehmen. Sie können innerhalb einer positiven Gruppenkultur und durch familienähnliches Zusammenleben positives Sozialverhalten eintrainieren und erlernen. In drei Wohngemeinschaften mit Hauseltern und deren Kindern leben fünf bis sieben junge Männer zusammen. Die Zielgruppe sind Jugendstrafgefangene und Gefangene, die eine Freiheitsstrafe verbüßen, insofern sie bis zur voraussichtlichen vorzeitigen Entlassung nicht älter als 24 Jahre werden sowie junge Männer in U-Haft oder die eine Bewährungsauflage erhalten haben.
Individuelle Förderung
Die jungen Gefangenen können in einem internen Stufensystem aufsteigen und dabei mehr und mehr Lockerungen erhalten. Straftaten, Gewalt-, Sucht- und andere Problematiken werden im wöchentlichen Programm bearbeitet und individuell vertieft. Gleichzeitig werden sie im schulischen Bereich, in der beruflichen Bildung und im Freizeitbereich gefördert. In der Seehaus-Schule (eine einjährige Berufsfachschule) können die jungen Gefangenen eine Ausbildung in den Bereichen Bau, Holz, Metall sowie Garten- und Landschaftsbau beginnen.
Unterstützende Regierung
Die ersten Initiativen zur Schaffung eines Angebots im Bereich Strafvollzug in freien Formen unternahm Seehaus e. V. im Oktober 2001, damals noch unter dem Namen Prisma e. V. 2003 wurde das Seehaus Leonberg als Jugendstrafvollzug in freien Formen eröffnet. Dies war möglich dank der Initiative des damaligen baden-württembergischen Justizministers Prof. Dr. Ulrich Goll. Auch alle damals im Landtag vertretenen Parteien waren dem Vorhaben gegenüber positiv gestimmt und haben es von Anfang an unterstützt. Als Modellprojekt begonnen, ist es inzwischen eine feste Einrichtung neben dem geschlossenen und offenen Strafvollzug, hat Eingang in die Gesetzgebung gefunden und wird auch in Brandenburg und Sachsen umgesetzt.
Opferperspektive
„In den vergangenen Jahren haben wir das Konzept für den Strafvollzug in freien Formen stetig weiterentwickelt. Aus den Erfahrungen im Seehaus Leonberg konnten wir nicht nur 2011 das Seehaus Leipzig als zweite Einrichtung des Strafvollzugs in freien Formen beginnen, sondern auch viele weitere Projekte entwickeln. Von Anfang an war uns wichtig, die Opferperspektive im Blick zu haben und den jungen Männern im Seehaus zu vermitteln. Nach und nach konnten wir dann auch die direkten Angebote für Opfer durch das Programm Opfer und Täter im Gespräch und unsere Opfer- und Traumaberatungsstellen ausbauen“, erläutert Tobias Merckle, geschäftsführender Vorstand von Seehaus e. V.
„Restorative Justice“
Der Leitgedanke hinter der Arbeit von Seehaus e. V. lässt sich mit dem Fachbegriff Restorative Justice beschreiben. Dabei spielen die Opferperspektive und Wiedergutmachung eine zentrale Rolle. Im Idealfall kommen die von der Tat Betroffenen freiwillig zusammen, um mit einem Vermittler und gegebenenfalls weiteren Mitgliedern der Gesellschaft über die Tat, deren Folgen und Möglichkeiten zur Verantwortungsübernahme und Wiedergutmachung zu sprechen. Falls dies für ein Opfer zu belastend oder aus anderen Gründen nicht möglich ist, können alternativ auch indirekte Vermittlungsmethoden angewendet werden, die den Opfern bei der Bewältigung der Tat helfen und den Tätern Opferempathie vermitteln und sie dabei unterstützen, Verantwortung zu tragen.
„Das Ziel, Opfer, Täter und Gesellschaft im Blick zu haben und gemeinsam die Folgen von Straftaten aufzuarbeiten und gleichzeitig präventiv daran zu arbeiten, dass die Zahl der Straftaten abnimmt, werden wir weiterverfolgen“, sagt Merckle und formuliert darüber hinaus eine neue Vision für die Arbeit von Seehaus e. V. in den nächsten Jahren: „Wir werden uns dafür einsetzen, dass Restorative Justice immer mehr Bedeutung in Politik und Gesellschaft gewinnt.“
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