Ich bin jetzt 70 Jahre alt und habe mit Claudia, meiner Frau, über Jahrzehnte ein spannendes Familienleben geführt. Ich darf Vater sein von sechs angenommenen und sieben eigenen Kindern – mit allen Höhen und Tiefen, die das Zusammenleben als Familie so mit sich bringt.
Alle Kinder leben inzwischen eigenständig, sind verheiratet und haben bereits ihre eigenen Familien. Zu allen haben wir eine gute Beziehung und sind ihnen Freunde und Berater – bis auf zwei der Pflegekinder, die keine Beziehung zu unserer Familie halten.
Der Vater als weiser Freund
Was ist nun ein erfolgreicher Vater? Ich will es mal vom Ziel her beschreiben: Erfolgreich ist ein Vater, der mit seinen erwachsenen Kindern versöhnt umgehen und mit ihnen wie ein guter Freund entspannt kommunizieren kann. Er kann ihnen ein weiser Berater sein, dessen Ratschlag man auch ablehnen kann. Zum Erfolg gehört nicht unbedingt, dass Kinder den Beruf der Eltern ergreifen oder ihren Lebensstil führen. Besser ist es, wenn sie ihren eigenen Weg finden, und es ist wahre Größe und ein Zeichen von Erfolg, wenn ein „Versager“ sich dennoch von der Familie angenommen und getragen weiß.
Versöhnung suchen
Dagegen ist irgendetwas schief gelaufen, wenn das Zusammenkommen jedes Mal von Vorwürfen oder überhöhten oder ungerechtfertigten Erwartungen getragen ist und stets eine gewisse Vorsicht oder Spannung im Raum steht. Ganz dramatisch wird es, wenn man einander an Geburtstagen oder Feiertagen nicht mehr sehen will oder Kinder der Beerdigung ihres eigenen Vaters nicht beiwohnen wollen oder dürfen.
Familie lebt von Vergebung und Versöhnung, denn kein Familienleben verläuft ohne Verlusterfahrungen, Enttäuschungen, Schmerzen und Verletzungen. Manchmal sind diese Dinge gar nicht beabsichtigt oder bewusst; sie geschehen einfach. Deswegen muss man immer wieder innehalten und ein versöhnendes Gespräch suchen, besonders wenn man merkt, dass etwas in der Luft liegt. Man kann auch ein Ereignis daraus machen, zum Beispiel zur Volljährigkeit oder wenn ein Kind das Haus verlässt, dass man miteinander das Familienleben auswertet: die schönen und schmerzhaften Erlebnisse – und da, wo man sich falsch verhalten hat, um Vergebung bittet. So haben wir es auch mit unseren erwachsenen Kindern gemacht.
Vaterschaft in den verschiedenen Lebensphasen
Erfolgreiche Vaterschaft hat ihren Preis. Es ist ein langer Weg zum Ziel, der Zeit, Zuwendung und Einfallsreichtum erfordert. Aber es lohnt sich! Für diesen Weg möchte ich einige praktische Ratschläge geben:
1. Der junge Vater
Ein Vorurteil, das sich selbst in der Fachliteratur hartnäckig hält, ist die Annahme, dass die Mutter in den ersten Monaten am wichtigsten für das Baby sei und dem Vater erst später Bedeutung zukomme. Doch das trifft nicht zu. Auch Sie als Vater sind vom ersten Tag an wichtig. Sie müssen Ihr Kind genauso wärmen, streicheln und liebkosen, denn der Hautkontakt zum Vater ist genauso wichtig wie der zur Mutter. Sie können Ihr Kind zwar nicht stillen, aber wickeln und im Tragetuch bei sich haben. Das Neugeborene soll das in den ersten Monaten so wichtige „Urvertrauen“ von Anfang an zu beiden Eltern aufbauen. Das wird Ihnen helfen, eine innige, emotionale Beziehung zu Ihrem Kind aufzubauen, die ein Leben lang hält.
2. Der Vater und seine vorpubertären Kinder
Die Väterlandschaft hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Man kann von einer „sanften Revolution in der Familie“ sprechen. Väter wollen mehr für ihre Kinder tun. Sie wollen nicht nur Ernährer, sondern auch Erzieher sein. Die Zahl junger Väter in Elternzeit wächst langsam, aber stetig. Es gibt eine eigene Väterforschung, die mit neuen wissenschaftlichen Ergebnissen die Unentbehrlichkeit des Vaters in der Erziehung nachweist.
Erziehung ist nicht hauptsächlich Sache der Mütter, wie man über lange Zeit glaubte. Wenn der Vater fehlt, aus welchen Gründen auch immer, leiden die Kinder.
Machen Sie sich bewusst: Für Ihren Sohn sind Sie das wichtigste Rollenvorbild zur männlichen Identifikation; er möchte von Ihnen ins Mannsein begleitet werden. Für Ihre Tochter sind Sie der „erste Mann im Leben“, der ihre Haltung Männern gegenüber entscheidend prägen wird. Ein Vater hinterlässt einen Eindruck auf seine Tochter, der sie ihr ganzes Leben lang begleiten wird.
3. Der Vater und seine Teenager
„Teenager sein“ bedeutet: sich orientieren, eine eigene Identität finden und selbstständig werden. Meiner Beobachtung nach gibt es für jeden Heranwachsenden drei enorm wichtige Themen. Wenn Eltern sie nicht kennen und im Umgang mit ihren Kindern nicht berücksichtigen, laufen sie Gefahr, den Teenager niemals richtig zu verstehen. Schnell entstehen Verständnisschwierigkeiten, und sie beginnen, nebeneinander her zu leben.
Dies sind die wichtigen Drei:
– Eine eigene Identität finden – anders als Mama, Papa und die Geschwister.
– Sich unter Gleichaltrigen bewähren und anerkannt bleiben.
– Das Bedürfnis nach Unabhängigkeit und Eigenständigkeit.
Bei allen drei Themen können Sie Ihren Teenagern beistehen.
Wie Kinder sich ihren Vater wünschen
Fragt man Kinder, wie sie sich einen Vater wünschen, kommen immer wieder die gleichen Antworten. Sie können mit den folgenden drei Merksätzen zusammengefasst werden:
Einer, der Zeit für sie hat.
Was Kindern von ihren Vätern am stärksten im Gedächtnis bleibt, ist einfach deren Anwesenheit. Zeit ist kostbar, aber Ihre Kinder sind wertvoll genug, dass Sie sich ihnen in den wichtigen Jahren ihrer Entwicklung widmen. Kinder werden nie vergessen, wie Sie miteinander erzählt, geschmust, gespielt oder gearbeitet haben.
Einer, der Anerkennung ausspricht.
Es ist wichtig, dass die Mutter Anerkennung ausspricht, aber es reicht nicht aus. Kinder wollen unbedingt wissen, wie der Vater über sie denkt, sie müssen von ihm ermutigt und angespornt werden. Erfahren sie das nicht, kommen sie sich oftmals ihr Leben lang als Versager vor oder müssen immer beweisen, dass sie etwas leisten können.
Einer, der seine Liebe zeigt, aber auch Grenzen setzt.
Manch ein Mann hat Probleme damit, Zuneigung und Zärtlichkeit auszudrücken – vielleicht, weil er es selbst nicht bei seinem Vater erlebt hat, oder weil er mit dem Verständnis aufgewachsen ist, dass solche Gefühlsäußerungen unmännlich seien. Machen Sie sich frei davon! Ein Kind braucht Vaterliebe: zärtliche Worte, einen liebevollen Blick, starke Arme, die es halten und schützen.
Den Sohn beim „Mannwerden“ begleiten
Oft wird übersehen, dass ein Junge über seine Geschlechtsreife Bescheid wissen muss: über seinen ersten Samenerguss und was körperlich und psychisch in der Pubertät abläuft. Und das ist Ihre Aufgabe als Vater – und nicht allein die der Schule. Wenn Sie es jetzt schaffen, vertrauensvoll von Mann zu Mann miteinander zu sprechen, legen Sie eine Grundlage, dieses Thema immer wieder mal ansprechen zu können, vor allem auch, was Internetpornografie betrifft. Viele Väter tun sich damit schwer, vielfach, weil sie damals selbst niemanden hatten, der es ihnen mit verständnisvollen Worten erklärt hätte. Aber man kann sich schlau machen. In meinem Buch für Väter bin ich darauf eingegangen.
Drei Themen sind dabei wichtig:
Das Erklären von körperlichen Veränderungen,
Hinweise auf psychische Veränderungen,
Ratschläge für die Verantwortung im sexuellen Bereich.
Abschließende Tipps
Es braucht für Kinder aller Altersgruppen einen Vater, der besonnen Grenzen setzt. Kinder haben ein gesundes Gespür für Ungehörigkeiten und erwarten unbewusst, dass ihnen Grenzen gesetzt werden. Eine gerechte und angemessene Disziplinierung, die aus Zuneigung geschieht, gibt ihnen Sicherheit.
Gespräche über die Sinnfragen des Lebens sollten auch nicht fehlen. Sagen Sie Ihren Kindern auch immer wieder, was sie als einzigartig auszeichnet. Zeigen Sie auch, dass Sie sich für deren Freunde interessieren.
Wenn Sie – bei aller nötigen Erziehung – Ihr Kind freigeben, seinen eigenen Weg zu finden, dann werden Sie ihm ein Leben lang Freund und Berater bleiben können.