Simson – Gottes langhaariger Schürzenjäger

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Simson – Gottes langhaariger Schürzenjäger

Kann Gott einen streitsüchtigen, langhaarigen Schürzenjäger für seine Zwecke gebrauchen? Die Geschichte von Simson belegt: Yes, he can! Vielleicht fand Gott ja keinen Besseren damals. Als individualistisch geprägte Europäer könnten wir übrigens leicht übersehen, dass der Held gar nicht gefragt wurde: der Deal wurde mit Simsons Eltern gemacht. Diesem kinderlosen Paar verhieß Gott einen Sohn, der nicht nur alkohol- und friseurfrei aufwachsen, sondern auch Israel von den Philistern erlösen sollte.

Gott als König

Die Simson-Story zeigt erstaunliche Parallelen zur Situation des heutigen Christentums auf. Das Dilemma Israels damals war simpel: Gott hatte Israel nach dem Exodus aus Ägypten feierlich angeboten, dass es „sein Königreich und eine heilige Nation“ sein sollte – unter der ausdrücklichen Bedingung, dass es seiner Stimme gehorchen und sich an seine Regeln halten sollte. „Ja ja, klar doch, machen wir!“, rief das Volk – mit ihren Worten. „Nein nein, wir machen grundsätzlich, was wir wollen!“, rief das Volk – mit ihren Taten.

Fromme Lippenbekenntnisse haben Gott noch nie beeindruckt. Was wir wirklich glauben, zeigt sich nicht durch die Lieder, die wir singen, sondern durch unser Leben. Solange Mose, Aaron und Josua lebten, als greifbare Repräsentanten ihres Gottkönigs, war die Regentschaft Gottes in seinem Volk einigermaßen unumstritten, und das Volk diente Gott. Doch kaum waren die alten Herren im Grab, betete das Volk Hinz und Kunz an und diente grundsätzlich jedem, nur nicht Gott. „Zu der Zeit war kein König in Israel“, heißt es lapidar am Anfang des Richterbuchs. Klartext: Gott war als König unbürokratisch abgesetzt, es herrschte religiöse Demokratie; jeder glaubte, was er wollte, und jeder tat, was ihm gefiel. Der religiöse Konsument ging in die Lifestyle-Kirche seiner Wahl, naschte vom religiösen Buffet ein Häppchen hier, ein importiertes Gottchen dort, und wenn es allen zu langweilig wurde, fiel man übereinander her.

Die heidnischen Völker ringsumher rieben sich die Hände über diesen Selbstverschleiß. Ein scheinbar allmächtiger Gott, dessen erwähltes Volk sich aus seiner Herrschaft ausgeklinkt hatte und sich lieber gegenseitig in den Haaren lag, war keine Bedrohung, sondern leichte Beute. In Richter 2 heißt es: „Gott gab sie in die Hände von Räubern“ – unethische Volksstämme, die über „Gottes Volk“ herrschten. Als pädagogisch wertvolle Strafaktion entzog Gott dem Volk Israel ganz einfach die Selbstbestimmung. Das Leben der Israeliten wurde nun als Folge ihrer Rebellion nicht mehr von Gott, sondern von den üblen Nachbarn diktiert.

Dasselbe geschieht heute wieder: Das klassische Christentum ist, aus gesellschaftlicher Perspektive, nicht mehr Haupt, sondern Schwanz. Es hat sich nicht länger selbst im Griff, sondern ist fremdbestimmt. „Jesus als Erlöser? Klar! Jesus als amtierender König? Nur das nicht!“ Die Rebellion vieler Christen wurde institutionalisiert und trägt ein frommes Gewand. Die herrschenden „Philister“ von heute heißen Mammon, konfessionelle Zersplitterung, Sektierertum (fromme Schafe im Bann religiöser Machtmenschen), Pornografiesucht und Hoffnungslosigkeit – oder ganz einfach kollektive Verdummung: abenteuerliche Ignoranz zum Kernthema von Jesus, dem Königreich Gottes. Wenn der letzte Vers im Richterbuch lautet: „In jenen Tagen gab es noch keinen König in Israel; jeder tat, was ihm gefiel“, dann wird die Parallele zu heute ganz deutlich: Das aktuell existierende, in Millionen von Einzelmeinungen zerfaserte Christentum hat möglicherweise einen Erlöser, aber definitiv keinen gemeinsamen König!

Aber zurück zu Simson. Gott plante ein Doppelspiel. Beide, Simson und die Philister, waren Werkzeuge in der Hand Gottes: Die zeitweise dominierenden Philister sollten den Israeliten die Wahrheit wie Salz in die Wunde reiben, dass nämlich ein Gottesvolk ohne König ein lächerlicher, untragbarer Zustand ist. Gott rief das Volk dadurch zur Umkehr, indem er ihnen zeigte, wie kraftlos es ohne ihn ist. Simson wiederum sollte dem unterdrückenden Philister-System empfindliche Niederlagen beibringen, um auch dem verschlafendsten und resigniertesten Israeliten zu zeigen: Veränderung ist möglich. Wo ein Mensch Gott kompromisslos zur Verfügung steht, bricht die Besatzermacht in sich zusammen. Was wäre gar, wenn das ganze Volk Gottes sich ihrem König – Gott selbst – kompromisslos zur Verfügung stellen würde? Nicht auszudenken!

Doch genau da beginnt die Herausforderung für uns. Was lernen wir von Simson? Hier drei kurze Simson-Lektionen. Die erste Lektion ist für Einsteiger: wie man seine ersten 1.000 Philister mit einem Kinnbacken erschlägt. Alles, was man dazu braucht, ist:

Lektion 1: Der göttliche Power-Boost (Ri 15,9-17)

Simson war ausgerastet, weil er nicht zu seiner Braut durfte. Aus Rache zündet er den Philistern die Felder an – der Trick mit den 300 Füchsen – und versteckt sich in einer Höhle. Dann wird er ausgerechnet von den eigenen Leuten gefesselt und ans Messer geliefert. Und genau da geschieht es: Wo der Geist Gottes über einen Mann kommt, wächst dieser über sich hinaus und vermag über scheinbar unüberwindliche Hindernisse hinweggehen, die plötzlich in sich zusammenschmelzen. Simson erlebt durch den Geist Gottes eine Art „Power-Boost“: Er ist plötzlich angeschlossen an das Starkstrom-System Gottes, und da haben Seile ausgedient – und 1000 Philister.

Jeder Mann ist im Kern ein Kämpfer. Wir kämpfen zwar nicht gegen Philister, doch Mobbing, das Finanzamt oder die Schwiegermutter können auch formidable Gegner abgeben. Deshalb sind wir in der Welt Gottes niemals Gefangene von Seilen, egal welcher Art. Wo der Geist Gottes die Kontrolle übernimmt, schmelzen Widerstände zusammen – und Philister. Der Batteriestrom der frommen Religiosität ist hier nicht genug; nur das Handeln in offizieller Vollmacht, das Ausführen der königlichen Befehle, wird Erfolg haben.

Lektion 2: Sei immun gegen Liebesentzug (Ri 16,15-19)

Liebesentzug ist eine der furchtbarsten Waffen der Frau. Wer sich auf dieses trickreiche Spiel einlässt, wird bald vom Mann zum Männchen. Der testosteron-getriebene Simson hatte offenbar ein gestörtes Verhältnis zu Frauen, das wurde ihm zum Verhängnis: Seine erste Verlobte wurde ihm ausgespannt, mal war er bei einer Hure, dann wieder verguckte er sich in seine Delila, die nie wirklich seine Delila war, sondern entweder eine hübsche Dorfgöre oder eine Tempelprostituierte. Delilahs Name, wohl abgeleitet von dal (= charakterschwach), verheißt nichts Gutes. Simson ist liebessüchtig, und so durchschaut er nicht das Spiel, das Delilah gegen viel Bestechungsgeld mit ihm treibt. Er will etwas sehr Kostbares von ihr – Liebe – ohne den schützenden Rahmen einer Ehe. Sie hingegen wickelt ihn um den Finger, macht mit dem armen Kerl einfach nur Geld und bohrt so lange nach seinem Geheimnis, bis er, „sterbensmatt“ nachgibt.

Gegen solche Tücke ist nur der immun, der „Safe Sex“, Liebe im geschützten Rahmen einer Ehe, auslebt und für den Liebe keine Droge ist. Klar ist: jeder Mann will geliebt werden, braucht einen Ort, wo er dazugehört, und schließlich eine Mission, die ihm alles abfordert. Mit der Liebe fängt es an – oder hört es auf, bevor es überhaupt anfangen kann.

Lektion 3: Wer verliert, kann trotzdem gewinnen (Ri 16,28ff)

Simsons Haare wuchsen wieder – und damit hätte er einmal mehr mit übernatürlicher Kraft zuschlagen können. Doch Simson hat wohl gemerkt, dass sein Leben ein Symbol für etwas Größeres als er selbst ist.

Die Philister meinten, sie hätten Israel in der Hand. Doch der große Fehler der Philister war, dass sie fälschlicherweise meinten, ihr Götze Dagon hätte ihnen Simson ausgeliefert. Und Simson hatte begriffen, dass es hier nicht um ihn allein geht; deshalb konnte er sich für Größeres opfern. So nutzte er seine neue Kraft nicht, um sich zu retten, sondern um die gesamte Führungsriege der Philister im Mark zu treffen: im Tempel ihres Götzen. Auch wenn Simson dabei starb – die Ehre Gottes war gerettet. So starb auch Jesus für etwas viel Größeres, damit wir philisterlos unter der Königsherrschaft Gottes leben können.

Was bedeutet das für uns hier und jetzt?

Simson stellt uns vor drei knallharte Herausforderungen, die zeigen, ob wir Männer Gottes oder harmlose, fremdbestimmte Männlein sind, die sang- und klanglos in der Bedeutungslosigkeit verharren und dann zu den Ahnen verschwinden …

Herausforderung Nr. 1: Sind wir uns bewusst, dass auch unser Leben Teil eines größeren Plans ist? Er kommt nur dann zur Erfüllung, wenn wir erkennen, was Jesus sagt: Wer sein Leben für ihn verliert, wird es gewinnen (Mt 10,39).

Herausforderung Nr. 2: Zum netten „Verein der Geretteten“ zu gehören, reicht partout nicht aus; das beeindruckt keinen Philister. Jesus ist nicht nur Erlöser, sondern eben auch König. Haben wir uns bereits eindeutig und kompromisslos ihm unterstellt? Ist er bereits unser amtierender König? Wenn ja, dann demonstrieren wir es dort, wo es zählt, in den Bereichen Geld, Sex, Macht, Kirche.

Herausforderung Nr. 3: Erst dann, im Dienst des Königs, nicht im Dahinplätschern harmloser, bürgerlicher Religion, werden wir die nötige Vollmacht erhalten, die einzelnen „Philister“, die das Volk Gottes heute versklavt halten, gezielt und gnadenlos zu besiegen. „Gott stößt die Mächtigen vom Stuhl“, besingt Maria das, wovon wir hier reden. Doch Gott beruft dazu Leute wie Simson damals. Und heute, wer von uns übernimmt das? Wie ist es mit Ihnen?

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