Männliche Stärken? Wen interessiert es in christlichen Gemeinden, was Männer können? Was müssten sie denn dort können? Gemeindeblätter austragen, Kerzen anzünden, still sitzen und andächtig zuhören, in sich gehen und Buße tun, einsilbige Lobpreislieder singen und die Arme hochreißen … Für Letzteres gibt es alternativ den Fußballplatz.
„Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen!“ (Joh 3,30) – Über dieses „herausgerissene“ Zitat des Täufers Johannes, eines der stärksten Mannsbilder der Bibel, kann Mann trefflich kalauern. Christlicher Mainstream betont lieber Schwachheit als Stärke von Männern. „Der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach“ könnte auch als Bekenntnis des Unvermögens von Hobbyköchen verstanden werden.
Apropos Hobby – dahinter verbergen sich Stärken von Männern. Wer meint, das sei ein nebensächliches, geradezu banales (weil ungeistliches) Thema für christliche Männerarbeit, dem sei eine Männerrunde genau dazu dringend empfohlen. Er wird seine Geschlechtsgenossen bestimmt von einer bisher kaum wahrgenommenen Seite kennenlernen. Leidenschaften, Fähigkeiten, Liebhabereien, aber auch Skurriles und Heiteres kommen zum Vorschein. Und vor allem kann Mann Gaben erkennen, die dem vermeintlich Unbegabten gar nicht zugetraut werden.
Heilige Hände
Gründe genug, das Augenmerk auf Männer-Stärken zu richten. Genau das tut Paulus, wenn er seinem „Volontär“ Timotheus schreibt: „So will ich nun, dass die Männer beten an allen Orten und aufheben heilige Hände ohne Zorn und Zweifel.“ (1 Tim 2,8)
Der Satz bietet viel Stoff für Männerarbeit: Zuerst werden dem Choleriker „Zorn“ und dem Rationalisten „Zweifel“ ins Auge stechen, im Ohr klingen. Beides ist Männern vertraut. Zorn und Zweifel werden negativ gesehen, als Schwächen bewertet. Jedoch kann das eine sogar heilig und das andere konstruktiv sein. Somit wären es Stärken!
Paulus vertraut auf Männerhände. Die können zu- und Dinge anpacken, festhalten – Ausdruck eines männlichen Kraftaktes! Was Männer alles tun können mit ihren Händen, das aufzuzählen reichen die Finger einer Männerhand nicht aus. Mann muss nur hinsehen! Die Werkhallen der Betriebe sowie Keller und Garagen geben darüber beeindruckend Auskunft. Geht es nach Paulus, so gehört Händefalten unbedingt dazu. Damals wie heute tun es wahrscheinlich noch immer zu wenige Männer. Deshalb darf Mann regelmäßig „seine Hände aktiv in den Schoss legen“. (Die besser Konditionierten können sie auch hochheben wie Mose: 2 Mose 17, 8-13)
„Heilige Hände“ – eine starke Formulierung des Paulus für handgreifliches geistliches Leben. Das schließt Segnen ein, wenn die Hand eines Mannes z. B. auf den Schultern anderer Platz nimmt – auf denen seiner Kinder und anderer Männer.
Männer sind so: Männliche Stärken, die Klassiker
Männern werden Eigenschaften nachgesagt, die ihre „klassischen Stärken“ sind. Daran ändern auch weibliche Beispiele mit ähnlichen Attributen nichts. Nach wie vor gelten Männer als strukturierter in ihrem Vorgehen. „Ich habe einen Plan“, ist nicht bloß das geflügelte Wort des erfolglosen dänischen Filmganoven Egon Olsen. Zielstrebigkeit und „Jagdinstinkt“ sind nach wie vor bei der Umsetzung unterschiedlichster Projekte vorteilhaft.
Männer sind, sogar nach Aussage von Fach-Frauen, die besseren Spielfreunde für Kinder. Männer lassen sich auf das Spiel selbst ein, haben Spaß daran, ohne ständig im Hinterkopf pädagogische Absichten zu verfolgen oder Soll-Ist-Vergleiche kindlicher Entwicklung vorzunehmen. Das „Kind im Manne“ lässt grüßen. Wobei wir Männer aufpassen müssen, dass wir die erwachsene „Übermächtigkeit“ unter Kontrolle halten. Das bedeutet, die geringeren Möglichkeiten der (kleineren) Kinder nicht aus dem Auge zu verlieren, ihnen ihren Spielraum zu lassen. „Spielen will gelernt sein.“
Männer gelten neuerdings als die besser geeigneten „Lehrer der Muttersprache“! Sie machen nicht so viele Worte, bilden einfach strukturierte, kürzere Sätze. Das kommt der kindlichen Auffassungsgabe entgegen. Kinder werden somit viel weniger „zugequasselt“. Wer hätte gedacht, dass die angeblich männliche Maulfaulheit eine solch positive Kehrseite aufweist!
Wer will, mag damit längst überkommene Klischees bedient sehen. Das ist jedoch eine abstrakte Diskussion. Spannend wird es dann, wenn es um ganz konkrete Personen geht – wie Sie und ich.
Ich bin so: Männliche Stärken und die Individualisten
Wie gut kenne ich mich? Unter welchem Blickwinkel betrachte ich mich? Mit wem vergleiche ich mich? Wer männliche Kommunikation (selbst)kritisch verfolgt, dem fällt der Hang zum Problematisieren auf. Die „Miesmacher“ sehen in vielem Probleme, und Mann überbietet sich gegenseitig in der Beschreibung selbiger. Vielleicht liegt das an einem gruppendynamischen Prozess; es dürfte aber auch Ursachen in der Persönlichkeitsstruktur des Einzelnen haben. Eine solche – tendenziell negative – Sichtweise kann Mann verinnerlichen. Das mindert auf Dauer mein Selbstvertrauen und prägt zunehmend mein Selbstbild.
Ein realistisches Bild meiner Person gewinne ich kaum durch ausschließliche Beschäftigung mit mir selbst. Vielmehr bedarf es der Beziehung, in der ich mich erkenne. Und um unfruchtbaren Vergleichen mit anderen, vermeintlich „besseren“ Typen zu entgehen, lohnt sich ein Blick auf Psalm 139: In diesem Gebet betrachtet einer sich selbst in der Beziehung zu Gott. Der Beter ist sozusagen ein Beispiel, wie Mann „heilige Hände“ über sich selbst erhebt! Besonders die Verse 1, 6 und 13 bis 14 nennen Festpunkte, von dem aus männliche Selbstbeurteilung ausgeht: Gott kennt mich, seine Nähe ist unbegreiflich, als gewolltes Werk seiner Schöpfung bin ich ein Wunder! Keine Bedingung, keine Voraussetzung, kein „Aber“, dafür staunende Dankbarkeit. Eben ein anderer Blickwinkel, der im Gespräch mit dem himmlischen Vater gewonnen wird.
Klar, ich bin wie ich bin. Aber wer fällt darüber das (letzte) Urteil? Ich jedenfalls nicht. Und deshalb tue ich es auch nicht über andere. Vielmehr will ich nach den „guten Seiten“ am bzw. im anderen suchen. Schließlich wird, wer sucht, auch finden (Lk 11,9)!
Männer machen das so: Männliche Stärken der Macher
Ein treffliches Gebet für Macher (R. Niebuhr): „Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden“. Es braucht Typen, die einerseits wissen, was geht und die andererseits merken, wo sie stillhalten müssen. Das zu erkennen hilft die Lektüre von Männerbiografien. Es müssen nicht nur fromme sein!
In der Bibel werden starke Männer mit Macherqualitäten vorgeführt. An den drei ausgewählten ist für mich interessant, dass auch „schwache Seiten“ nicht verschwiegen werden:
Zunächst sei an den Draufgänger, den „heiligen Schürzenjäger“ Simson erinnert (mehr dazu in Adam online Nr. 26). Der zweite ist der kompromisslose Kämpfer auf dem Karmel, Elia (1 Kön 18). An den Händen dieses religiös intoleranten Gottesmannes klebt nach heutigen Maßstäben zu viel Blut. Und als Isebel von ferne mit dem Schwert winkt (1 Kön 19,3), ist die Luft aus seinem Mut schnell heraus. Erst schlafen, dann sterben – das wäre es aus Elias Sicht gewesen, hätte Gott ihm nicht wieder Beine gemacht. Dieser Prophet fasziniert, gerade weil er so „himmelhoch jauchzend zu Tode betrübt“ gewesen ist. Nicht zu vergessen der oft strapazierte Petrus. Er gilt seit der Verleugnung Jesu als Versager. Ich stelle mir Petrus als einen Choleriker, einen Heißsporn, eben einen Mann mit Leidenschaft, vor. Er schießt öfter übers Ziel hinaus. Aber er nimmt sich etwas vor und lässt sich auf scheinbar Unmögliches ein – Gehen auf dem Wasser! Wie zu erwarten säuft er ab und geht nur dank Jesu beherztem Zupacken nicht unter (Mt 14,30). Man muss ihm zugute halten: Er hat es probiert. Die im Boot schaukeln weiter! So gilt: Wer scheitert, hat etwas versucht.
Wie macht man Männern Mut, etwas zu probieren, viel mehr zu riskieren?
Männliche Stärken – ohne Selbstzweck
Vergleiche mit anderen kommen auch unter Nachfolgern Jesu vor. Männer lieben offenbar Rangfolgen und Hierarchien, diese schaffen eine gewisse Sicherheit. Hinter der Frage: „Wer ist der Größte“ verbirgt sich der Wunsch: „Ich will nicht bedeutungslos sein.“ Jesus reagiert auf diese Frage unter seinen Anhängern mit dem Hinweis: Stärke verpflichtet (Mk. 9,33-35). Damit ist Mann in einer Dienstleistungsgesellschaft geradezu „up to date“.
Wäre ein Wettbewerb denkbar, bei dem Männer um die Erfüllung dessen kämpfen?
Männerstärken – Leistung würdigen
Zur Leistung gehört der Stolz auf Geschaffenes – beides ist eher verpönt unter Christen.
Im Buch „Männer und Kirche“ (Reiner Knieling, Männer und Kirche. Konflikte, Missverständnisse, Annäherungen, Göttingen 2010) plädiert Reiner Knieling ausdrücklich für eine differenzierte Auseinandersetzung damit. Insbesondere im Kapitel 6 nimmt der Autor „Leistung und Erfolg“ unter die Lupe. Etwas abgekürzt könnte das Fazit lauten: Wünschenswert ist eine christliche Würdigung von Leistung und Erfolg. Und im Kapitel 9 unter Jesusfrömmigkeit fordert der Autor „Raum für Stärke und Schwäche“. Denn: „Gott ist einer, der Lust am Leben hat und sich am Gelingen freut …“ Und wir (christlichen) Männer?
Ich wünsche buchstäblich viel Spaß bei der Beschäftigung mit männlichen Stärken und starken Männern. Mann kann – wenn Mann will.
Super geschrieben… Weit über dem sonstigen Horizont beleuchtet.
Das drängt geradezu, den Weg zum eigenen Spiegel zu gehen…. Und mich darin im Lichte dieser Worte zu sehen und/oder erstmal zu finden…. 🧐🤔👍