Christliche Unternehmer: Chancen und Nöte

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Christliche Unternehmer: Chancen und Nöte

Adam online: Sie haben als Steuerberater viel Umgang mit Geschäftsleuten. Wo sehen Sie die Hauptnöte christlicher Unternehmer?

Peter Diederich: Ich habe meinen Schwerpunkt im Beruf nicht bei christlichen Geschäftsleuten, sondern ich bin als Steuerberater Christ. Es gibt meines Erachtens auch kein fest umrissenes Bild eines christlichen Unternehmers. Der Begriff „christlicher Unternehmer“ ist für mich nicht mit konkreten Inhalten gefüllt. Die Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten u. a. sollten am Verhalten erkennen, dass es sich um einen christlichen Geschäftsmann handelt. Er sollte nicht manipulieren oder Druck ausüben. Oder falsche Tatsachen vortäuschen, z. B. eine bestimmte Unternehmensgröße vorspielen, nur um bestimmte Aufträge zu bekommen. Er sollte Kollegen auch die Treue halten, wenn sie Misserfolg haben.

Die Hauptnot, die ich besonders bei christlichen Geschäftsleuten kennen gelernt habe, ist die Auseinandersetzung zwischen Christsein und Unternehmersein. Man kommt als Unternehmer automatisch in die Versuchung, bestimmte christliche Werte aufzugeben. Z. B. ist man versucht, korrupt zu sein – auch hier in Deutschland, obwohl das oft verschwiegen wird: Der Vermittler eines guten Angebots wird beim Angebotspreis mit berücksichtigt. Ein anderer Punkt ist Schwarzarbeit: Es ist nach wie vor üblich in der Geschäftswelt, Waren oder Dienstleistungen zu verkaufen, ohne sie in Rechnung zu stellen. Ein anderes Problem ist der Umgang mit Mitarbeitern oder die Frage: Wie werde ich überhaupt erfolgreich? Es gibt viele erfolgversprechende Methoden, die aber den biblischen Grundsätzen widersprechen.

Sie meinen, dass man trotz christlicher Ethik, die man als christlicher Geschäftsmann an sich befürwortet, in Versuchung gerät, diese ethischen Maßstäbe zu vernachlässigen, nur damit man geschäftlichen Erfolg hat und gegen die Konkurrenz bestehen kann?

Richtig. Ich meine sogar, dass man oft eine Aufteilung macht: Auf der einen Seite ist mein Unternehmen und auf der anderen mein Glaube. Man grenzt das eine bewusst vom anderen ab. Dabei kommt es zu einer Art Doppelleben: Am Sonntag in der Gemeinde bin ich der fromme Christ – und im Geschäftsalltag jemand ganz anderes.

Warum haben christliche Geschäftsleute oft so wenig Erfolg bzw. kämpfen mit finanziellen Problemen?

Ich habe viele christliche Geschäftsleute erlebt, die unter massiven finanziellen Problemen leiden, aber ich habe nur wenige erfolgreiche christliche Geschäftsleute kennen gelernt. Einer der Gründe dafür ist folgender: Die Bibel sagt: Schnell erworbener Reichtum wird schnell weniger, wer aber allmählich sammelt, vermehrt seinen Reichtum. In der Geschäftswelt wird oft vermittelt: Es ist möglich, schnell viel Geld zu verdienen. Das kann eine große Versuchung sein.

Ein Unternehmen braucht viel Zeit, um erfolgreich zu werden. Zeitweise kann sicher manches schnell gehen, aber vom Grundansatz her sollte man sich viel Zeit lassen. Man braucht Zeit, um Vertrauen aufzubauen – zu Kunden, Lieferanten usw. Häufig mangelt es an Geduld und Ausdauer, und das kann dann zum Scheitern führen.

Worin sehen Sie die wesentlichen Chancen von christlichen Geschäftsleuten?

Die Chancen bestehen darin, unverkrampft zu sein, schöpferisch, eine gewisse Leichtigkeit an den Tag zu legen, höchst effizient zu sein. Christliche Geschäftsleute können anderen wirklich Gutes tun, sie können ihrer Umwelt dienen. Wir haben als Christen Zugriff auf den Schöpfer, auf den, der auch Erfolg schenkt; wir können auf seine Unterstützung bauen, wenn wir uns an seine Grundsätze halten, an die Bibel.

Diese Dinge betreffen nicht speziell Geschäftsleute, sondern Christen überhaupt. Gibt es Ihrer Meinung nach Chancen, die speziell christliche Geschäftsleute betreffen?

Als Geschäftsmann habe ich dadurch, dass ich Verantwortung in der Gesellschaft übernehme, ein viel weiteres – auch missionarisches – Wirkungsfeld. Ich komme z. B. an Kunden, Lieferanten und andere Geschäftsleute heran, die ich als normaler Arbeitnehmer nicht erreichen könnte. Geschäftsleute registrieren ja die Kirche oft gar nicht, aber sie registrieren andere, erfolgreiche Geschäftsleute.

Sollte sich ein christlicher Geschäftsmann auch in einer Gemeinde engagieren? Oft fühlen sich Geschäftsleute ja missverstanden oder gar ausgenutzt, weil ihnen die Gemeindeleitung signalisiert: „Bring dich ein bzw. bring dein Geld ein.“

Tatsächlich wird in Gemeinden oft nicht erkannt, dass es durchaus geistlich sein kann, Unternehmer zu sein. Das ist ja auch ein geistlicher Dienst. Der Erfolg der Geschäftsleute – Geld – ist den Gemeinden willkommen, aber sie mögen es oft nicht so, wenn sie als Geschäftsleute auftreten. Es würde den Gemeinden aber gut tun, wenn die Unternehmer nicht nur ihr Geld, sondern auch ihre erfolgreichen Prinzipien einbringen könnten. Z.B. haben erfolgreiche Unternehmer gelernt, das Vertrauen von Menschen zu gewinnen. Sie könnten den Gemeinden helfen, das Vertrauen von Kirchendistanzierten zu gewinnen.

Christliche Unternehmer stehen oft im Spannungsfeld zwischen einem zeitintensiven Unternehmensalltag, den Ansprüchen der Familie und den Erwartungen der Gemeinde. Wie kann man mit diesem Spannungsfeld sinnvoll umgehen?

Weniger ist oft mehr. Kann es von Gott gewollt sein, dass ich wegen einem zeitintensiven Geschäftsalltag kaum noch Zeit für meine Familie und noch weniger Zeit für die Gemeinde habe? Die Zeit, die ich in die Familie, ins Gebet, in die Bibellese etc. investiere, fehlt mir zwar zunächst für meine Arbeit, aber auf Dauer wird sie sich auch auf meinen Geschäftsalltag positiv auswirken – auch in Form von Erfolg. Denn ich erhalte dadurch u. a. neue Ideen, neue Lösungsansätze, neue Kraft.

Ich halte es für wichtig, diese verschiedenen Bereiche zu integrieren. Gott teilt mich ja nicht auf in eine Person für die Familie, eine Person für die Gemeinde und eine Person für das Unternehmen. Ein praktisches Beispiel für gelungene Integration ist der Aufbau eines Familienunternehmens. Oder nehmen wir die Urgemeinde: Als die Urgemeinde entstanden ist, haben sie angefangen, Güter zu verkaufen und mit dem Erlös ihre Umwelt zu versorgen. Heute finden wir oft das Gegenteil vor: Gemeindemitglieder lassen sich versorgen durch staatliche Institutionen, z. B. das Sozialamt. Wenn ein christlicher Unternehmer Verlust macht und Insolvenz anmeldet, muss für diesen Verlust letztlich die Allgemeinheit aufkommen. Das sollte den Christen bewusst sein.

Heißt das nicht umgekehrt, dass ein erfolgreicher christlicher Unternehmer durch seine Gewinne das sozialdiakonische Engagement einer Gemeinde unterstützen kann, sofern er einen Teil dieser Gewinne dafür zur Verfügung stellt?

Ja, dies ist ein ganz wichtiger Aspekt. Durch ein solches Engagement können Verluste begrenzt oder eventuell sogar vermieden werden.

Seit vielen Jahren werden Seminare und Business-Konferenzen angeboten, christliche Unternehmer-Netzwerke gebildet. Müsste es da nicht steil bergauf gehen mit der christlichen Unternehmerwelt? Trotzdem hat man den Eindruck, dass sich der Erfolg nicht im entsprechenden Maße einstellt. Woran könnte das liegen?

Man sollte sich auf eine lange Zeit einstellen, um ein Unternehmen erfolgreich aufzubauen – mindestens sieben bis zehn Jahre. Das, was in den letzten Jahren aufgebaut wurde, auch diese christlichen Unternehmer-Netzwerke, ist eine Saat, die irgendwann aufgehen wird, aber zunächst nicht sichtbar. Die christlichen Unternehmer müssen erst einmal erkannt werden als Christen – durch ihr Verhalten. Leider gibt es, zumindest hier in Deutschland, noch zu wenige Vorbilder an erfolgreichen christlichen Geschäftsleuten.

Vielen Dank für das Interview!

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Nathanael Bohtz
Nathanael Bohtz
3 Jahre zuvor

Es gefällt mir, dass der Autor die Unaufspaltbarkeit der Person des Unternehmers betont. Ich werde nur dann als authentische Person wahrgenommen, wenn ich ein und derselbe bin in der Familie, in der Gemeinde und im Geschäft.
Auch die Betonung der Langfristigkeit ist sehr wichtig. Das schnelle Geld – es passt einfach irgendwie nicht zu dem entspannt-distanzierten Umgang, den Jesus an den Tag legte.
In meiner Tätigkeit als Coach sehe ich immer wieder, dass viele Männer ehrlich bemüht sind, ein ethisch aufrechtes Verhalten zu praktizieren, dann aber von Behörden, Geschäftspartnern, Vorständen usw. praktisch zu Kompromissen gezwungen werden. Auch viele Gemeindeleitungen sind nicht an der Person, sondern nur am Geld der Geschäftsleute interessiert. Deshalb ist ein persönliches Coaching für Geschäftsleute so wertvoll, weil sie sich hier in vertrauensvoller Umgebung „auf Augenhöhe“ über ihre Probleme austauschen können.

Doro
Doro
1 Jahr zuvor

Sehr wertvoll!
Der Artikel, als auch der darauf folgende Kommentar.
Danke, dass stärkt, weiter am Charakter zu arbeiten und Haltung einzunehmen im Gegenwind.

Peter Diederich
1 Jahr zuvor
Reply to  Doro

Ich meine, das Interview ist jetzt ca. 15 Jahre alt. Und ich merke mehr und mehr, dass die Wirtschaft, das Unternehmer sein mit Arbeitnehmern, Kunden und der Gesellschaft, mehr und mehr die Bedeutung der eigentlichen Kirche übernimmt. Es ist in Deutschland so – vielleicht auch weltweit – dass einerseits ein breites Spektrum neuer Kirchen entstanden ist, anderseits die breite Bevölkerung, oder sollen wir sagen, die deutsche Gesellschaft, die Verbindung zur Amtskirche und damit auch die christlichen Wurzeln aufgegeben hat. Auf der anderen Seite entsteht dadurch einerseits eine Leere und Orientierungslosigkeit, die eine enorme Chance darstellt. Und in der Wirtschaft sind wir an der Stelle, an der wir am glaubwürdigsten mit unserem Leben darlegen und beweisen können, auf wen wir tatsächlich vertrauen. So erlebe ich in konkreten Geschäftssituationen, dass man manches aus der Hand geben muss und auch vor den Kollegen in die Hände Gottes legen darf und muss. Hier kann sich dann konkret Gott verherrlichen und wir sind seine Helfer, wenn wir ihm Dinge, Menschen, Herausforderungen, Mangel und Nöte anvertrauen. Denn jeder Mensch, Kollege und Mitarbeiter weiß im Grunde, dass es mehr gibt, als „nur“ die Arbeit. Und doch ist es eine lebenserfüllende Aufgabe. Mit mehr dahinter. Schwer ist es, zu verzichten. So musste ich gerade in einem Geschäft auf eine große Summe des Ertrages verzichten, weil es sonst möglicherweise nicht zustande gekommen wäre. Das fällt schwer und da musste ich lernen: „Gehorsam ist besser als Schlachtopfer und Aufmerken ist besser als das Fett der Lämmer“, was nicht leicht fällt und auch Saul sein Königtum gekostet hat, als er die Amalekiter besiegen sollte, nachzulesen im Samuelbuch….