Samstagnachmittag bei Aral: Während ich mein Auto volltanke, habe ich die Ausfahrt der Waschstraße im Blick. Ein Ehepaar steuert den noch nicht ganz trockenen, aber schon strahlenden Golf aus der Anlage und parkt ihn behutsam auf dem Platz, wo die Staubsauger und Luftpumpen stehen. Die Szene weckt plötzlich mein ganzes Interesse.
Hingebungsvolle Pflege
Er holt aus dem Kofferraum eine Plastikflasche, sie fingert aus dem Handtäschchen weiße Wattepads. Es sind genau die, die meine Frau immer bei der Kosmetik verwendet. Dann nimmt das Ritual seinen Lauf. Er gießt das kostbare Pflegemittel vorsichtig auf die Kosmetikwatte, beugt tatsächlich die Knie vor seinem fahrbaren Blechgehäuse und lässt sich auf eine Fußmatte direkt vor den Felgen nieder, um die Insignien seines bescheidenen Wohlstandes liebevoll zu pflegen. Überall, wo die Maschinenbürsten nicht hingekommen sind, wo der Abrieb der Bremsbeläge wie Zahnstein auf dem Gebiss klebt, da fingert er sich mit Inbrunst Millimeter für Millimeter durch die Felgenöffnungen. Frau Gemahlin steht aufmerksam daneben und reicht immer wieder artig das Pflegemittel und hält frische Wattebäusche bereit. Als ich vom Bezahlen zurückkomme, hat er die erste Felge nahezu sauber. Liebevoll trocknet er mit einem feinen Wolltuch das Objekt seiner Anbetung ab.
Die Liebe zur Gattin
Ich kann nicht anders, als den gebeugten Herrn mit einem schelmischen Augenzwinkern zu fragen, ob er denn seine Gattin auch so liebevoll pflegen würde. Die verdreht die Augen und zwinkert mir mit einem vielsagenden Blick zu, als hätte ich den Nagel auf den Kopf getroffen. Er, sichtlich verlegen und irritiert, stammelt etwas von Wiederverkaufswert und vom schlechten Zustand der Waschanlage. Ich habe dann mit ein paar freundlichen Worten die Spannung aufgelöst und er konnte am Ende auch wieder lächeln. Wenn alle Männer so viel Zeit für ihre Frau investieren würden, wie für ihr Auto, dann wären wir schon einen Schritt weiter auf dem Weg zu einer erneuerten Gesellschaft.
Lieber Jürgen Mette!
ihr überaus humoriger und zugleich tiefgründigen Beitrag öffnet mir erneut ein Stück weit meine Augen für das, was wirklich wichtig und „pflegenswert“ ist.
Danke für den inspirierenden Impuls!
Herzliche Segensgrüsse
Stephan Menzel
Sehr amüsante Story – aber meine Frau hat Glück: ich habe kein Auto und werde auch nie eines kaufen. Meine Pflege gilt also nicht meinem Auto / meinen Felgen, sondern zu 100% meiner Frau 😉
Das sollte auf alle Fälle Priorität haben 😉