Die Männer standen angesichts Goliaths, der gewaltige Feind, gelähmt vor Furcht – und das bereits seit über einem Monat. Eine ekelhafte Pattsituation! Der Riese schüchterte sie ein, forderte sie heraus und gab ihnen zu verstehen, was für Memmen sie seien – Tag für Tag.
Wir kennen vermutlich die Geschichte (1 Sam 17). Auch die Brüder von David waren in die Armee eingezogen worden, ihnen bringt David von Zuhause etwas zu essen ins Feld – und wundert sich über die Lästerungen von Goliath und die kollektive Lähmung des Heeres. Das Gerede des Feindes hat auch seine Brüder längst bezwungen, sie haben resigniert, sind demoralisiert wie ihre Kameraden und ärgern sich mächtig über die Fragen ihres kleinen Bruders, der schließlich keine Ahnung vom Krieg hat. Wie ein Zauber liegen die täglichen Erniedrigungen Goliaths auf ihnen, schließlich haben sie seit 40 Tagen nichts anderes zu hören bekommen, als dass sie Loser seien. Das zeigt Wirkung. Sie stehen unter unglaublicher Spannung: Vor ihnen der Riese, hinter ihnen ihr Chef, König Saul, der Druck macht, dass es weitergehen muss, schließlich kostet so ein Krieg Geld …
Männer in Bedrängnis
Diese Geschichte steht in der Bibel, weil sich die Strategie des „Feindes“ heute noch genauso bewährt: Männer werden mit Umständen, Herausforderungen und Fragen konfrontiert, denen sie sich nicht gewachsen fühlen, die sie beschämen und auf die sie keine Antworten haben. Das ist für einen Mann schwer zu ertragen, da er meint, ein richtiger Mann schaffe einfach alles und habe stets die passende, coole Lösung parat. Ich kenne Männer, die so entehrt, entwaffnet und gedemütigt wurden, dass sie sich tief in sich zurückgezogen und komplett dicht gemacht haben. Niemand kommt an sie heran, sie verlassen ihre Deckung niemals. Sie stehen unter Dauerspannung, weil ihnen von allen Seiten Druck gemacht wird – und sie befinden sich in einer Sackgasse, es geht nicht vorwärts, und der Weg zurück ist auch versperrt. Also halten sie durch und wollen nur eines: in Ruhe gelassen werden.
Als David die Szene betritt und „dumme Fragen“ stellt, entlädt sich der angesammelte Druck, und der kleine Bruder bekommt gehörig eins übergezogen. Ja, wenn Männer in Bedrängnis geraten, können sie auch ganz Unschuldige, etwa ihre Frauen oder Kinder, dafür büßen lassen, dass diese dumme Fragen stellen.
Mit Gott am Lagerfeuer
Was ist bei David anders? Er steht nicht unter der kollektiven Lähmung, denn er hat sich nicht 40 Tage lang die Verhöhnungen Goliaths angehört. Außerdem denkt er nicht wie ein Soldat, er ist nicht gefangen in der Box militärischer Planspiele: Saul gibt ihm seine Rüstung für den Kampf, aber David kann sich darin gar nicht bewegen, er macht alles ganz anders. Er handelt gegen alle Traditionen und Regeln, er irritiert Freund wie Feind – und gewinnt mit minimalstem Aufwand, selbst die Steine für seine Schleuder sammelt er sich selbst. Der Chef kann zufrieden sein …
Den Feind zum Schweigen bringen
Was können wir aus dieser Geschichte lernen? Um unseren „Goliath“ zum Schweigen zu bringen, müssen wir um eine Haltung wie David ringen, eine geradezu naive Vertrautheit mit Gott. Vielleicht müssen wir uns aus dem Kampfgebiet zurückziehen und irgendwo weit abseits davon zur Besinnung kommen, um die überaus einfachen Lösungen von Gott hören zu können, die er uns ins Ohr flüstert, wenn wir nur einmal still halten und glauben könnten, dass er auf unserer Seite ist. Dafür ist es wichtig, dass wir uns dem „Höhnen Goliaths“ (Anklagen, Vorwürfen, Erniedrigungen etc.) entziehen und zur Normalität zurückkehren. Wie David, der bei den Tieren saß oder Lieder am Feuer sang, können auch wir uns Auszeiten mit Gott nehmen, in denen wir uns auf ihn einlassen. Dann können auch wir wieder ganz anders denken und fühlen als unter der täglichen Dusche von „Goliath-Einschüchterung“. Eines Tages wird sich so die Menschenfurcht in Gottesfurcht verwandeln, die Empörung Davids wird in uns hochsteigen, und wir werden – wie er – zu unserem Feind sprechen:
„Du (Goliath) kommst mit Schwert, Lanze und Krummschwert. Ich aber komme zu dir mit dem Namen des Herrn, der Heerscharen, des Gottes der Schlachtreihen Israels, den du verhöhnt hast. Heute wird dich der Herr in meine Hand ausliefern …“ (1 Sam 17,45f.)