„Kinder? Vielleicht … später …“ – So denken viele junge Männer (und Frauen) in unseren Breitengraden. Bei mir war es damals nicht anders: Heiraten – ja, das konnte ich mir schon als Jugendlicher gut vorstellen. Aber Kinder? „Muss nicht unbedingt sein!“
Dann lernte ich meine Frau kennen. Einige Jahre später heirateten wir. „Kinder? Ja, grundsätzlich schon, aber jetzt noch nicht“, dachte ich mir. „Erst mal das Leben zu zweit genießen!“ Und selbst das verlangt einem ja schon einiges ab. Es kostet gewisse Freiheiten und vielleicht lieb gewonnene Gewohnheiten, die man für die Partnerin aufgibt. Daran musste ich mich erst einmal gewöhnen! Kinder würden mich noch mehr fordern, und ich müsste ein Vorbild sein – von morgens bis abends! Nein, dafür fühlte ich mich mit meinen damals 27 Jahren noch nicht reif genug. Außerdem: Nach meinem erfolgreich abgeschlossenen Studium wollte ich noch ein wenig „herumstudieren“, ganz ohne (Prüfungs-)Druck, vielleicht für ein Jahr. Das Arbeitsleben würde noch lange genug werden!
Warum wollen Männer (noch) keine Kinder?
In ihrem Buch „Der Zeugungsstreik“ stellt Brigitte-Redakteurin Meike Dinklage Männer um die 40 vor, die kinderlos sind, weil sie keine Kinder wollen, weil sie den sozialen Abstieg fürchten oder weil sie ja später Väter werden können. Sie spricht von einer ganzen Generation der entscheidungsunwilligen „Später-vielleicht-Väter“.
Woran liegt es, dass so viele Männer in den „Zeugungsstreik“ gehen, zumindest vorläufig? Die Gründe sind vielschichtig, einige seien hier genannt:
- Manche Männer haben einfach Angst davor, als Väter zu versagen. Die Anforderungen an Männer – auch an seine Vaterrolle – sind gestiegen: Man soll ein guter, fürsorglicher Vater sein, liebevoll, aber bestimmt, pädagogisch kompetent, und Zeit soll man sich auch nehmen. Wird man ausreichend für die Familie sorgen können – materiell und emotional? Viele Männer trauen sich das nicht zu.
- Andere Männer haben einfach keine Vorstellung von (guter) „Vaterschaft“, zum Teil aufgrund eigener negativer Erfahrungen. Oder der eigene Vater war physisch oder psychisch abwesend. So fehlt ein gutes Modell von Vaterschaft in der eigenen Biographie. Ohnehin werden die meisten Jungs weitgehend von Frauen erzogen: zunächst von der Mutter, dann von der Erzieherin im Kindergarten, danach von der Grundschul-Lehrerin. Erst nach diesen besonders prägenden ersten Jahren treten vermehrt auch männliche Bezugspersonen auf die Bildfläche (Lehrer, Ausbilder, Chefs).
- Die mangelnde Bereitschaft (oder die Angst davor), Verantwortung zu übernehmen, hält weitere Männer vor einer Vaterschaft ab.
- Andere sind einfach zu bequem oder fürchten um ihre Freiheit. Denn Kinder wollen betreut und versorgt werden, rund um die Uhr.
- Auch das inzwischen 50-prozentige Risiko einer Scheidung kann Männer davon abhalten, sich auf ein Kind einzulassen, das man sich dann irgendwie teilen muss. Und dann noch die Unterhaltszahlungen …
Daher praktizieren viele Männer eine Art Verzögerungstaktik: Das sind die Männer, die generell offen für Kinder sind, aber nicht jetzt. Problematisch wird es, wenn sich dieses „Jetzt“ über viele Jahre in der Partnerschaft hinzieht, weil man sich noch so unfertig fühlt, weil man ja noch so viel vorhat, weil man erst einmal an seiner Karriere arbeiten muss und … und …und …
Gott selbst ist Vater
Welche Sicht hat die Bibel von Kindern, von Vaterschaft? Zunächst fällt auf: Gott selbst wird an vielen Stellen als „Vater“ bezeichnet. Als Vater ist Gott Ursprung allen Lebens, er schafft und erhält alles Leben. Ohne seine schöpferische Vaterschaft gäbe es kein Leben, und ohne seine erhaltende und fürsorgliche Vaterschaft würde alles wieder ins Nichts zurückfallen. Als Männer (und Frauen) haben wir an Gottes Schöpfermacht teil, indem wir Väter (und Mütter) werden. Freilich ist dies nicht auf den biologischen Zeugungsakt beschränkt; wir können auch Vaterschaft ausüben, indem wir für Jüngere da sind und sie z. B. als Mentoren begleiten.
Dass sich Gott auch für uns Vaterschaft vorgestellt hat, wird schon aus einer seiner ersten Anweisungen an uns Menschen deutlich: „Seid fruchtbar und vermehrt euch!“ (1 Mose 1,28) Hier geht es um weit mehr als nur um den Fortbestand der menschlichen Rasse. Es geht um praktizierte Vaterschaft, es geht um Fruchtbarkeit auf allen möglichen Ebenen, und es geht um Vervielfältigung. Ursprünglich gehörten Sexualität und das Zeugen von Kindern noch eng zusammen.
Keine Heilsgeschichte ohne Väter
Der Bibel ist unser postmodernes, auf das einzelne Individuum beschränkte Denken fremd. Die Bibel denkt in Generationen, sie erzählt von der „Heilsgeschichte“, die mit Adam und Eva begann und mit der Parusie (=Wiederkunft) Christi abgeschlossen sein wird. Selbst die Theodizeefrage („Warum lässt Gott das Böse zu?“) erscheint in einem völlig anderen Licht, wenn man sie im Horizont der Heilsgeschichte stellt: Gott lässt das Böse letztlich nicht zu, er wird „jede Träne abwischen“ (Offb 21,4), am Ende triumphiert Gottes Heil über alles Unheil – für immer. Ohne Väter, ohne Vaterschaft wäre Heilsgeschichte gar nicht denkbar; sie garantiert das Fortleben über Generationen, über die die Heilsgeschichte unaufhaltsam fortschreitet.
Geistliche Vaterschaft
Und wie steht es mit Jesus? Offensichtlich war er ja kein Vater, zumindest nicht im biologischen Sinne; aber er übte eine Art geistliche Vaterschaft aus – im Hinblick auf seine Jünger und alle, die ihm nachfolgten. Die Anrede mit „Rabbi“ oder „Meister“ zielte auf diese geistliche Vaterschaft hin. Doch auch Kindern gegenüber trat er väterlich auf (z. B. Mt 19,13-15), indem er sie in Schutz nahm und sie aufwertete, denn Frauen und Kinder galten im alten Israel als minderwertig.
So kann Vaterschaft nicht nur im biologischen Sinne gelebt werden. Doch dies wäre ein eigenes Thema …
Überrumpelt von der neuen Rolle
Wie eingangs erwähnt wollte ich zunächst auch kein Vater werden. Trotzdem wurde ich bereits ein Jahr nach unserer Eheschließung außerplanmäßig Vater. Plötzlich waren alle möglichen Träume geplatzt – Weiterstudieren an der Uni, Hawaii … Nun ging es darum, schnell einen Job zu finden, um meine Familie davon ernähren zu können. Auch unsere Ein-Zimmer-Wohnung wurde jetzt zu klein, und das geliebte Motorrad musste weg (wegen der Unfallgefahr, die ich als Vater nicht mehr verantworten konnte).
Von meiner neuen Rolle als Vater fühlte ich mich ein wenig überrumpelt: Ich sollte plötzlich jemand sein, zu dem man aufschaut? Den man „Papa“ nennt? Ich kann mich noch erinnern, wie ich damals eines morgens früh aufstand und die ganze Situation im Gebet Gott brachte. Ich legte ihm meine geplatzten Träume hin und nahm bewusst meine Vaterschaft aus Gottes Hand an. Das war der Anfang …
Warum ich es liebe, Vater zu sein
Inzwischen sind viele Jahre vergangen, und ich wurde begeisterter Vater von drei Kindern, die im Abstand von je zwei Jahren auf die Welt kamen. Besonders die ersten Jahre waren recht herausfordernd gewesen, v. a. finanziell. Trotzdem – und das kann ich mit voller Überzeugung sagen: Vaterschaft ist das Beste, was mir jemals „passieren“ konnte
Sicher kostet Vaterschaft manche Opfer – ganz klar! Aber was man gewinnt, ist viel mehr wert:
- Vaterschaft transformiert, wenn man sich darauf einlässt. Man wird vom kleinen, unreifen Jungen zum Mann, der Verantwortung übernimmt. Man lernt auf ganz natürliche Weise, für andere zu sorgen.
- Man wird zum Held: Schauen Sie in das Gesicht eines kleinen Kindes, das seinen Vater anstrahlt – voller Freude und Stolz. Kein anderer Mensch schaut einen so an. Es ist einzigartig.
- Man erlebt tiefen Sinn: Kaum etwas ist so bereichernd wie Leben weiterzugeben und zu entwickeln.
- Man erlebt viel Spaß: Unzählige lustige Situationen, Herumtoben mit den Kids, Raufereien und vieles andere.
- Lernen ohne Ende: Man entdeckt vieles (wieder) neu, man lernt fast täglich von seinen Kindern, man lernt wieder, mit kindlichem Glauben zu beten.
- Charakterschulung und Persönlichkeitsentwicklung pur: Wofür andere Tausende von Euros auf Seminaren und Fortbildungen ausgeben müssen, bekommen Sie als Vater gratis – tagtäglich. Kaum etwas anderes wird Sie so „schleifen“ und vorwärts bringen wie Vaterschaft. Sie werden sich selbst nicht mehr erkennen!
- Die eigene Partnerschaft wird ungemein bereichert, wenn man sich die Erziehung teilt. Die gemeinsame Liebe zweier Liebenden zum Kind verbindet enorm.
- Power! Man erhält als Vater eine enorme Kraftquelle – die eigene Familie. Hier tankt man auf, um alle möglichen „Schlachten“ erfolgreich zu schlagen.
- Lebenslange Verbundenheit: Einsamkeit ist ein großes Problem unserer Zeit. Kinderlosigkeit verstärkt dies, gerade im Alter. Wie gut, wenn man dann Kinder hat, die sich um einen kümmern!
- Selbstverwirklichung: Wir sind auf Vaterschaft (und Mutterschaft) angelegt. Wie oben kurz erwähnt ist dies nicht auf biologische Elternschaft begrenzt. Unserer Gesellschaft fehlt es an Väterlichkeit!
In der Garage steht immer noch kein neues Motorrad. Aber ich bin Vater von drei Kindern, und das ist mehr wert als alles andere!