Fitness-Studien im Prüfstand

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Fitness-Studien im Prüfstand

Ja, ich habe es getan – Ich habe mich in einem Fitness-Studio angemeldet. Und nicht nur das – ich gehe auch hin! Das ist nicht selbstverständlich, hatten sich doch in meinem Kopf diverse Horrorszenarien schon lange vor dem Betreten der Muckibude eingenistet. Vor meinem inneren Auge sah ich männliche Anabolika-Apparate und weibliche Hüpfdohlen in neonfarbenen Stretchleibchen. Und mitten drin ich mit meinen unauffälligen grauen Schlabbershirts und ausgeleierten Baumwollbündchen an den Sporthosen.

Schließlich fand ich mich dann doch in solch einem Etablissement wieder. Aber keine Spur von eben genannten Exemplaren. Stattdessen Frauen und Männer jedes Alters und Umfangs, die wie ich in legeren Baumwoll-Lappen ihre dicken Waden und Überbäuche versteckten, um ihrem gepeinigten Rücken wohltuende Übungen einzuverleiben. Hach, war das herrlich! Keine röchelnden Fitness-Muskelpakete, keine frustrierten Hausfrauen in Tigertangas über den Stretchanzügen. Nur Normalos wie Sie und ich, die das Schwitzen verlernt hatten. Was fühlte ich mich plötzlich gut, dass ich etwas für das Ding tat, das Gott einst mal so mühsam zusammengesetzt hatte. Ich spürte plötzlich, dass diese bloße Hülle meiner Seele auch ein Eigenleben hatte. Mir ging es gut. Mir ging es so richtig gut.

Das Training begann gerade Endorphine freizusetzen, als ich bemerkte, dass sich etwas verändert hatte: Ich war allein. Außer mir waren nur noch drei Männer am hinteren Ende der Halle zugange. Es war nicht die Stille, die mich innehalten ließ, es war diese seltsame Stimmung. Plötzlich waren die drei Fitness-Herren für sich und strengten sich an, als ginge es um Leben und Tod. Vorbei war die Ruhe, die Gelassenheit. Der Ältere brillierte mit ausgefeilten Yogatechniken, der Muskulöse stockte die Gewichte auf, und der Drahtige raste auf seinem Spinning-Bike drauflos, als würde er von einer Gangsterbande verfolgt.

Was war da geschehen? Kämpft der Mann immer noch ums Vorrecht, wenn die Masse sich dezimiert hat und er mit potentiellen Gegnern allein auf weiter Flur steht? Will er gewinnen? Der Größte, der Stärkste, der Beste sein? Hat er das nötig? Fand Gott nicht, als er den Menschen schuf, dass alles gut war? „Warum müssen Männer immer noch einen oben drauf setzen?“, dachte ich kopfschüttelnd, als mit einem Wumms eine Tür aufflog, die ich bis dahin gar nicht gesehen hatte, und ein Schwall aufgeregt gackernder Frauen hinaus brach, zur Waage eilte und sich gegenseitig mit Schielaugen vorhielt, wie viele Kalorien und Kilos sie wohl jetzt wieder verloren hätten.

Nee, nee. Wir Menschen sind schon eine traurige Horde von Hornochsen. Ich schenkte den Muckimännern und den Hüpfdohlen in ihren blinkenden Gymnastikanzügen noch einen letzten Blick und dachte klammheimlich: Ob ich wohl auch etwas an Muskelmasse zugelegt und an Fettmasse abgelegt hatte? Und Gott sah seine Herde Hornochsen und schüttelte den Kopf, denn was er sah, war eigentlich gut.

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