Ein letztes Gebet mit Bill verändert

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Ein letztes Gebet mit Bill verändert

Was kann ein Gebet uns nützen? Wir alle können auf unserem Weg als Christen erschöpft werden; das sollte eigentlich nicht so sein, aber es passiert jedem von uns einmal. Zum Glück bietet uns Gott Orte der Gnade an, an denen unsere Seele auftanken kann.

„Gott ist nicht ungerecht. Er wird nicht vergessen, wie ihr für ihn gearbeitet und eure Liebe zu ihm bewiesen habt und weiter beweist durch eure Fürsorge für andere, die auch zu Gott gehören.“ (Hebräer 6,10)

Vor einigen Jahren hat man mich gebeten, wegen eines Notfalls ins Krankenhaus zu kommen. Es ging um Bill, einen 55-jährigen, körperlich behinderten Mann, der gerade einen schweren Herzinfarkt erlitten hatte. Die Prognose sah nicht gut aus; die Ärzte glaubten nicht, dass er den Abend überleben würde. Ich eilte zur kardiologischen Station.

Trauma überwunden

Bill war immer mit einigen seiner Mitbewohner aus seiner Wohngemeinschaft in unsere Kirchengemeinde gekommen. Ich wusste, dass es ihm große Freude bereitete, Menschen zu helfen, deren Behinderung schwerer war als seine eigene. Das wusste ich von den Betreuern aus seiner Wohngemeinschaft – ich selbst war nie in der Lage gewesen, eine Unterhaltung mit Bill zu führen. Es fiel ihm schwer, zu reden. Seine Worte waren oft stark genuschelt, und nur einige seiner engsten Freunde und Betreuer konnten sie verstehen.

Ich erfuhr, dass Bill von seinem Vater schwer zusammengeschlagen worden war, als er 20 Jahre alt gewesen war. Er überlebte ein längeres Koma, trug aber irreparable Hirnschäden davon. Obwohl er mit dieser Behinderung leben musste, brachte er es über die Jahre irgendwie fertig, mit dem emotionalen Trauma abzuschließen. Sein Zustand war von Wut und Hass verursacht worden, doch sein Leben war gezeichnet von Liebe und dem Willen, den Bedürftigen zu helfen.

Gnade im Gebet empfangen

Als ich in seinem Krankenzimmer ankam, befand sich Bill in einem äußerst kritischen Zustand. Als ich mich über ihn beugte, öffnete er seine Augen und lächelte. Ich kann mich nicht erinnern, was ich sagte, aber ich erinnere mich an seine Hand, die sich langsam, aber sicher in die Richtung meiner eigenen bewegte. Auch wenn seine Bewegung langsam war, so war sein Griff doch fest. Wir sprachen ein Gebet zusammen, dankten Gott für die Erlösung, für wahre Heilung, Frieden jenseits unseres Verstehens und die Gegenwart des Heiligen Geistes. Als ich „Amen” sagte, tat Bill das auch; die Worte waren undeutlich, aber ich verstand genau. Dann schlief er ein. Bill starb an diesem Abend.

Auf seiner Beerdigung sprach ich mit einer seiner Betreuerinnen, die Bill kurz vor seinem Tod besucht hatte. Er hatte voller Dankbarkeit und Freude davon erzählt, dass ich ihn besucht hatte. Niemand hätte jemals mit ihm gebetet und seine Hand gehalten. Doch die Betreuerin wusste nicht von der Gnade, die ich erhalten hatte: Sie floss aus Bills Hand, die sich langsam, aber sicher zu meiner bewegte, und aus ein paar Augenblicken menschlicher Berührung, die mehr sagten als Worte. Ich betete für Bill, und er betete sein letztes Gebet für mich.

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Bernd Kauke
Bernd Kauke
5 Jahre zuvor

Habe dieses auch so erleben dürfen…..Über viele Jahre durfte ich medizinisch einen 40jährigen ungläubigen Mann begleiten, der an einer chronischen Darmerkrankung litt. In den vielen Gesprächen während der Therapie durfte ich ihm auch immer wieder über meine Vergangenheit, über meinen Weg in die Zukunft mit Jesus erzählen. Ohne ein Echo… vor 6 Monaten bekam der Mann dann zu allem noch eine Krebsdiagnose mit einer Lebenserwartung von weiteren 6 Monaten. Durch die vorherigen Gespräche wusste ich u.a. auch, dass er keine Freunde hatte und im Gebet wusste ich, dass ich diesen Mann noch enger im Gebet, im Gespräch und im für ihn dazusein begleiten sollte. So durfte ich dann erleben, wie er 3 Wochen vor seinem Tod sein leben Jesus übergab. Kurz vor seinem Tod beteten wir noch füreinander. Wir verabaschiedeten uns und er sagte zum Schluss: „Danke, dass du mich auf den Weg begleitet hast, wenn ich jetzt wieder aufwache, bin ich endlich Daheim.“

Emmerich Adam
Admin
5 Jahre zuvor
Reply to  Bernd Kauke

Danke für das schöne Zeugnis!

Beat Oehrli
Beat Oehrli
2 Jahre zuvor
Reply to  Bernd Kauke

Danke lieber Bernd für das ermutigende Zeugnis. Habe Dich leider aus den Augen verloren, nachdem wir vor Jahren zusammen in der Klinik Sonnenhof Bern gearbeitet und uns in der Pfimi Bern getroffen haben. Wie geht es Dir ? Über ein Zeichen würde ich mich freuen.
Herzliche Grüsse
Beat Oehrli
boe(ad)klinik-schloss-mammern.ch