Das verlorene Talent

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Das verlorene Talent

„Das Himmelreich ist wie mit einem Mann, der auf Reisen ging: Er rief seine Diener und vertraute ihnen sein Vermögen an. Dem einen gab er fünf Talente Silbergeld, einem anderen zwei, wieder einem anderen ein Talent, jedem nach seinen Fähigkeiten.“ (Mt 25,14).

Wir wissen, wie das Gleichnis weitergeht: Die ersten beiden Diener vervielfältigen die Talente und werden von ihrem Meister gelobt; der dritte hat Angst, das Geld zu verlieren und versteckt es. Sein Meister rügt ihn dafür, es nicht investiert zu haben.

Wir kennen auch die gängige Interpretation: Als Christen sind wir mit Talenten, mit Gaben ausgestattet, die wir gewinnbringend für das Reich Gottes nutzen sollen. Wir sollen unser „Licht nicht unter den Scheffel stellen“ (Mt 5,14), sondern unsere Talente einsetzen. Der dritte Knecht wird dafür gescholten und bestraft, dass er sein Talent nicht investiert hat.

Das ist alles schön und gut so, sicher auch richtig. Doch was, wenn wir einmal eine andere Perspektive auf das Gleichnis einnehmen – und fragen: „Was, wenn der dritte Knecht gescheitert wäre?“ Was, wenn er sein Talent investiert und verloren hätte? Hätte der Meister ihn noch schlimmer bestraft?

Im Gegenteil: Ich glaube, er hätte ihn gelobt, genauso wie seine Kollegen. Denn Gott misst Erfolg mit anderen Maßstäben. Er definiert ihn nicht hauptsächlich über den „Ertrag.“ Ihm geht es um die Herzenshaltung. Sicherlich ist auch „weltlicher“ Erfolg wichtig und wünschenswert, und von einer tollen Herzenshaltung kann man sich nichts kaufen. Dennoch ist sie es, auf die Gott schaut. Und so kann auch Scheitern nach unseren Maßstäben ein Erfolg in seinen Augen sein.

Schließlich hat er es nicht zuletzt selbst vorgemacht: Jesus erringt seinen größten Sieg paradoxerweise im Scheitern, im Tod am Kreuz. Ein Tod, der nach allen menschlichen Maßstäben ein äußerstes Scheitern ist, wird so zum größten Erfolg für die Menschheit.

Wir sollten uns also nicht zu schnell als gescheitert betrachten. Vielleicht haben wir in Gottes Augen einen Sieg errungen.

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