Wunden als Identitätsstifter

© Ulrike Leone / pixabay.com

Wunden als Identitätsstifter

Wunden sind wie Augen in die Ewigkeit, in den Tiefgang, in die Fülle des Lebens. Sie sind wie tiefe, schmerzhafte Furchen, in denen sich das Samenkorn des Glaubens breitmachen kann, um schließlich über das erbärmliche Leben eines Mannes weit hinauszuwachsen. Männer erliegen oft der Lüge, allein und rücksichtslos die Besten sein zu müssen. Dieser Weg führt jedoch in die Sackgasse, in die Isolation, in die Verhärtung.

Wunden als Teil des Lebens

Heinrich Seuse fragt: „Wer nicht gelitten hat, was weiß denn der?“ Damit ist keine krankhafte Verliebtheit in das Leiden gemeint. Wunden sind Identitätsstifter. Was wir gelitten haben, was wir in der Liebe transformiert haben, das sind wir. Wunden werden uns immer wieder auf unserem Lebensweg begleiten, und sie bereiten uns auf die Verletzbarkeit der Liebenden vor. Nur, wenn wir unsere Wunden umarmen, nur, wenn sie uns langsam zu Freunden und Türen in ein versöhntes Leben werden, bekommen sie tiefen Sinn im „Christus medicus“, im Arzt unserer Seelenleiber.

Wir müssen uns unserer Wunden nicht schämen, sie sind unvermeidlich. Viele Männer leiden beispielsweise an einer klaffenden Vaterwunde. Sie entbehren einen präsenten, liebenden, beschützenden oder emphatischen Vater. Andere sind traumatisiert von der Brutalität ihrer Väter, die zeitlebens wenig Verständnis und Interesse für deren Söhne zeigen.

Verwandlung ist möglich

Für all diese Männer gilt: Es ist nie zu spät für eine schöne Kindheit. Es ist nie zu spät, selbst ein reifer Mann, ein guter Vater zu werden! Solange wir unsere Wunden beschönigen oder im Alkohol betäuben, solange wir sie unreflektiert beibehalten, geschieht keine Verwandlung. Der Kreislauf der Gewohnheit dreht sich blind weiter. Es gibt keinen Fortschritt, kein spirituelles Wachstum.

Sich anderen Männern mitteilen 

Wir Männer brauchen Orte zweckfreier Begegnungen, möglichst unter Männern wie Brüdern. In vertrauten Kreisen von Männerrunden ist es beispielsweise möglich, sich als Mann riskant mitzuteilen und mit der Sympathie Gleichgesinnter zu rechnen. Diese echte Compassio ist kein billiges, rühriges Mitleid, sondern aufrechte Solidaritätsbekundung, die einen Mann im Leben weiterbringt. Sie steht der Apathie der Gleichgültigen, der Oberflächlichen, der Herz- und Rücksichtslosen gegenüber. Heilung geht über den mutigen Weg der Erkenntnis, der Auseinandersetzung mit dem eigenen Schmerz und der Transformation desselben in die ganz große Liebe eines ganz und gar präsenten und überaus barmherzigen Vaters im Himmel.

Wir müssen als Männer nicht großartig sein. Es genügt, klein und schwach zu sein und uns wie das Samenkorn ganz vertrauensvoll in die Hände Gottes zu legen. Dann wird Er etwas Großartiges aus unserem Männerdasein machen und uns werden die Augen aufgehen …

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