Werte zum Leben – Sind Sie tapfer?

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Werte zum Leben – Sind Sie tapfer?

Welchen Einfluss haben unsere Werte auf unser alltägliches Leben? Woran erkennen wir, welche Werte ein Mensch hat?

Ein Jahr lang habe ich mich mit dem Thema „Werte“ auseinander gesetzt. Ich wollte mein Leben, mein Verhalten überprüfen, mit dem Ziel, stärker mit meinen Werten im Einklang zu leben. Dabei entdeckte ich massive Widersprüche in meinem alltäglichen Umgang mit Mitarbeitern und Familienangehörigen. Mein Verhalten entsprach nicht meinen Werten. So schimpfte ich z. B., wenn irgendetwas schief lief, ganz entgegen meinem grundlegenden Wert, anderen Menschen zu helfen, aus ihren Fehlern zu lernen, neuen Mut zu entwickeln und es noch einmal zu probieren.

Mit kleinen Schritten beginnen

Einmal saß ich mit zwei Männern zusammen; wir unterhielten uns über die Art und Weise, wie wir unsere Beziehung zu Gott leben. Unsere Stimmen wurden immer zaghafter, als wir berichteten, wie viele Minuten am Tag wir tatsächlich beten. Uns ist es wichtig, mit Gott in Beziehung zu stehen, von ihm Kraft und Orientierung zu erhalten, doch in der Praxis lassen wir zu, dass wir vor lauter Arbeit und Aktivitäten kaum noch Zeit haben, um mit Gott zu reden. Statt uns jetzt viele neue Pflichten aufzuerlegen, haben wir begonnen, diese kurzen Gebetszeiten, die es bei jedem bereits gab, wertzuschätzen und nicht als zu wenig abzustempeln. Der Vorsatz, die Gebetszeiten zu verdreifachen, hätte nur die Kluft vergrößert, und wir hätten uns als Versager gefühlt.

Werte im Alltag zu leben, verlangt aber auch Disziplin. Werte leben beginnt in kleinen Schritten im Alltag. Seitdem ich die Anzahl meiner Gebetsspaziergänge auf einer Strichliste im Kalender festhalte, komme ich viel öfter dazu als vorher.

Persönliche Auseinandersetzung mit meinen Werten

Die persönliche Auseinandersetzung mit meinen Werten hilft mir, die Kluft zwischen meinen Ansprüchen und meinem Verhalten zu verringern. Ich bin weniger gespalten, und das setzt Kräfte frei, die ich für meine Aufgaben zur Verfügung habe. Entscheidungen kann ich jetzt aus einer langfristigen Perspektive treffen, das gibt mir Freiheit und beendet das Kreisen um mich selbst.

Wir wollen unser Leben immer wieder so gestalten, dass wir unsere Werte leben. Dabei werden wir Erfahrungen von Wachstum machen, aber auch Niederschläge und Fehlversuche erleben, wo wir uns schämen und am liebsten verkriechen würden.

Ich kam zu dem Punkt, wo ich bereit war, mich von Gott korrigieren zu lassen. Ich wollte entdecken, wie er an mir persönlich handelt, wenn ich mich mit diesem Thema ehrlich auseinander setze. Das Arbeitsbuch „Führen mit Werten“ von Anselm Grün war mir eine hilfreiche Anleitung. Es öffnete mir die Augen, meine „Scheinheiligkeit“ zu sehen, und zeigte klar auf, wo ich Wachstumsbedarf habe. Anselm Grün sagt: „Ohne Werte kann der Mensch nicht gesund leben. Von den Werten hängt es ab, ob mein Leben gelingt oder nicht.“ Ohne Werte und die dahinter liegenden Tugenden, die das uns Wichtige zum Leben bringen, taugt das Leben nicht. Tugenden sind klar umschrieben: Es sind antrainierte, anerzogene Verhaltensweisen. Anselm Grün schreibt: „Die vier Kardinaltugenden (Gerechtigkeit, Tapferkeit, das rechte Maß und Klugheit) gelten seit der griechischen Philosophie als Grundlage für das Gelingen des Lebens. Wenn wir die göttlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe dazunehmen, haben wir eine gute Leitlinie für unser Leben. Die Zehn Gebote geben übrigens diese Tugenden in praktischen Anweisungen für den Alltag wider.

Ritterliche Tugenden

Gerade die Tugend, das rechte Maß zu halten, wird heutzutage oft missachtet. Wir wollen alles, und zwar am besten sofort. Mit dieser Haltung zerstören wir Menschen, Beziehungen und unsere Umwelt, da wir nicht genug bekommen können. Dabei könnte uns die Tugend, das rechte Maß zu halten, helfen, ausbalanciert und im Einklang mit Gottes Schöpfung zu leben. Im Mittelalter wurden Ritter dazu ausgebildet, vorbildhaft Tugenden zu leben – Versöhnung, Klugheit, Weisheit, Treue und Tapferkeit. Vielleicht kennen wir Ritter nur aus Schlachten, wo sie mit Schwert und Lanze andere umbrachten. Aber das war eher die Ausnahmesituation. Ein Ritter war v. a. ein Mann, der Gott und seinem Herrn Treue schwor und sich verpflichtete, seinem Dienstherrn mit allen seinen Fähigkeiten zu dienen und für ihn in den eigenen Fertigkeiten zu wachsen. Zu den ritterlichen Tugenden gehörte auch, ein Gebiet vor Eindringlingen zu beschützen und die Bevölkerung vor brandschatzenden Horden in Schutz zu nehmen.

Die Tugend der Tapferkeit

Heute ist viel von diesen Tugenden verloren gegangen. Daher sollten wir uns einige wieder näher anschauen – z. B. die Tugend der Tapferkeit. Sie steht dafür, ein Ziel mutig zu verfolgen und für das zu kämpfen, was einem wichtig ist. Tapferkeit hat auch mit der Überwindung der eigenen Angst zu tun. Tapferkeit ist aber kein Draufgängertum, sondern zeigt sich im Ertragen und Erdulden von Schmerzen. Tapferkeit ist nicht etwas, das ich einmal besitze und für immer habe, sondern Tapferkeit muss immer wieder neu erworben werden. Eine der Quellen der Tapferkeit ist der Zorn – allerdings, ohne dabei in sündhaftes Handeln zu verfallen. Am Beispiel von Jesus sehen wir das deutlich: Er vertreibt die Händler aus dem Vorhof des Tempels, wo sie ihre Geschäfte machen, dabei aber den Blick für das Wesentliche verloren haben. Jesus zeigt Mut und tritt tapfer für die Sache ein, die ihm wichtig ist. Tapfere Menschen richten sich nicht nach den Erwartungen der anderen, denn sie handeln aus einer inneren Gewissheit und Überzeugung heraus. Das führt uns oft in äußere Konflikte, weil wir dann nicht mehr so konform sind mit dem, was andere wünschen und von uns erwarten. Woher allerdings bekomme ich den Mut, zu mir zu stehen? In Gott kann ich diese Standfestigkeit finden und entwickeln.

Persönlich habe ich herausgefunden, dass Tapferkeit für mich einen hohen Wert darstellt, dass ich aber im Alltag oft ganz schön feige bin: Im Umgang mit meinen Mitarbeitern weiche ich manchmal aus, konfrontiere nicht tapfer, ermahne nicht oder sage nicht deutlich, was ich denke. Ähnliches ist es im Umgang mit meinen Kindern: Soll ich wirklich dranbleiben, was dann als Konsequenz bedeutet, dass sie ihre Hausaufgaben vielleicht dreimal machen müssen, bis es ordentlich wird?! Tapfer sein heißt in diesem Fall, dabeizubleiben und auch dieses Leiden durchzustehen. Überhaupt gehört zum Tapfersein, öfter zu sagen, was ich denke und mich vor anderen dazu zu bekennen.

Wie sieht es mit Ihrer Tapferkeit aus?

Weichen Sie Konflikten und Problemen auch lieber aus, suchen Sie eher das Weite, als sich zu stellen? Vielleicht nehmen Sie sich eine Sache noch einmal vor, wo Sie gemerkt haben, dass die Tapferkeit auf der Strecke geblieben ist und Sie sich noch etwas schuldig geblieben sind.

In dem biblischen Buch Daniel betet der Prophet: „Dich, Gott meiner Väter, preise und rühme ich. Denn du hast mir Weisheit und Tapferkeit (Stärke) verliehen.“ (Dan 2,23) – Können wir dieses Gebet zu unserem eigenen machen und diese Tapferkeit, die Gott uns verliehen hat, zum Leben erwecken, gerade auch für unseren Alltag?

Wenn wir tapfer handeln, können wir unter Umständen in Lebensgefahr geraten, aber meistens ist unser Ansehen oder unsere Stellung in Gefahr. Trotzdem: Ich darf mich nicht so weit verbiegen lassen, dass ich mein Rückgrat verliere. Ich will mich im Spiegel betrachten können, ohne mich zu schämen, und mit meinem Verhalten will ich anderen Mut und Zuversicht geben.

In meiner Familie tapfer zu sein, heißt, Konflikte anzusprechen und nicht einfach auszusitzen. In meiner Gemeinde bedeutet es vielleicht, Dinge beim Namen zu nennen und mich nicht einfach wegen gewissen Menschen und Erwartungen zurückzuhalten. Tapfer sein in meiner Firma heißt, unangenehme Situationen zu benennen, vielleicht Dinge aufzudecken. Tapfer sein heißt, authentisch und mit mir im Einklang zu leben.

Sie werden sehen, dass dieses Stehen zu dem, was Ihnen wichtig ist, Ihnen eine Menge Energie gibt für Ihr Leben. Also seien Sie tapfer, lassen Sie ihrem Glauben Werke folgen. In dem biblischen Buch Jakobus lesen wir, dass der Glaube ohne Werke tot ist. Etwas für wert zu erachten, aber es nicht ins Leben zu bringen, ist wie Glaube ohne Werke. Das prangert Jakobus an. Er ruft uns auf, das zu leben, was uns wichtig ist. Lassen Sie Ihren Überzeugungen, Ihren Werten gelebte Tugenden folgen. Stehen Sie zu sich selbst, überwinden Sie Ihre Angst und seien Sie tapfer.

Nehmen Sie sich in den nächsten Tagen vor, einen Konflikt tapfer anzugehen, wobei Sie sich nicht von Zorn bestimmen lassen, sondern in Klarheit und Bestimmtheit den Konflikt angehen. Dabei wünsche ich Ihnen mutiges Vorangehen.

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