Wenn Schlüssel zu einem sprechen

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Wenn Schlüssel zu einem sprechen

„Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben“ (Matthäus 16,19)

Ich schaue mir ab und an die Schlüssel an meinem Schlüsselbund an. Die hängen da selbstverständlich herum und klimpern, wenn ich sie in die Hosentasche oder in ein Schloss stecke; oder sie liegen in der Ecke, wenn ich sie nicht brauche. Ich benutze diese Schlüssel einfach, ohne groß darüber nachzudenken; ich weiß, welcher Schlüssel in welches Schloss passt. Schlüssel rein, umdrehen, Tür auf, fertig. So einfach geht das.

So bequem und selbstverständlich

Dann, bei Zeiten, denke ich an die Szene aus dem Film „Cast Away – Verschollen“, als Tom Hanks nach monatelanger Einsamkeit auf einer Insel (er war gestrandet) wieder nach Hause findet und ihm zu Ehren ein Empfang gegeben wird. Er geht nach dem Empfang allein in den Raum, in dem das Buffet aufgebaut ist; er schaltet den Lichtschalter an und wieder aus – und wieder an. Er spürt in diesem Moment, wie bequem und auch selbstverständlich viele Dinge geworden zu sein scheinen. Zwei Tage zuvor hatte er noch mit viel Mühen mit seiner Hand Feuer machen müssen, um überleben zu können. Doch erst durch diese Distanz – ja, durch die Abwesenheit von fast allem – hat er wieder zu einem verschärften Blick finden können.

Was ist dahinter?

Ich schaue in letzter Zeit öfter mit dieser „Inne-Haltung“ auf meine Schlüssel und denke mir, wie selbstverständlich doch vieles in meinem Leben geworden ist; da spüre ich dann sofort Dankbarkeit und Freude darüber, dass ich solche Schlüssel besitzen darf. Dazu müssen Sie wissen, dass ich ziemlich spannende Schlüssel an meinem Bund habe; also nicht die Schlüssel sind spannend, sondern welche Türen sie aufschließen und was mich dahinter erwartet: Eine bezaubernde Ehefrau, halb- bis ganz erwachsene Kinder, ein höhenverstellbarer Schreibtisch, eine Küche mit einem Kühlschrank, in dem etwas zu Essen steht, im Zimmer meines Sohnes hängt sogar eine ziemlich coole Dartscheibe, und wenn ich auf den TV-Knopf drücke, dann zeigt mir Sky die Fußball Champions League.

Dann habe ich auch noch einen Schlüssel, der zu einem hölzernen grünen Briefkasten gehört, aber da sind meistens Rechnungen drin, deswegen mag ich den Schlüssel nicht so. Da ich nur noch selten Briefe per Hand schreibe, lässt mir auch kaum einer mehr solche schönen Raritäten zukommen (außer meinem alten Publizistik-Prof, der schreibt immer spitzenmäßige Urlaubspostkarten). Ein weiterer Schlüssel gehört zum Schloss meines Fahrrades, der macht mir aber immer ein etwas schlechtes Gewissen, weil ich zu viel mit dem Auto fahre und zu wenig mit dem Rad. Deswegen ist dieser Schlüssel auch an meinem Ersatzschlüsselbund, dann muss ich ihn nicht jeden Tag sehen. Und dann ist da noch, genau, der Autoschlüssel. Da steht ein Kombi vor der Tür, ich setze mich rein und ich fahre los, ohne nachzudenken. Vieles ist bequem und selbstverständlich geworden in meinem Leben.

Der Schlüssel zum erfüllten Leben

Ich habe mich dazu einmal mit meinem Neffen Moritz über unsere Blicke auf Schlüssel unterhalten. Moritz hat einen festen Glauben, und ich bewundere ihn dafür, wie tief er in seinem jungen Alter bereits in seinem Glauben verwurzelt ist. Da kamen wir dann auf eine Stelle in der Bibel zu sprechen, als Jesus zu Petrus sagt: „Ich will dir des Himmelreichs Schlüssel geben.“ (Deswegen sagen wir wohl auch, „Petrus schließt den Himmel auf“, wenn die Sonne hinter den Wolken hervorkommt.)

Moritz sagte mir dann, der Glauben sei für ihn der Schlüssel zu einem erfüllten Leben: „Für mich ist Jesus der Schlüssel und die Tür, durch die wir gehen können in die Freiheit.“ Ein kurzer knapper Satz eines 15-Jährigen, der aber mit einer Wucht für mich daherkam, dass ich staunend und demütig vor ihm saß.

Manchmal wünsche ich mich auf eine einsame karge Insel, um nach einer Zeit des Verzichtes wieder das wertschätzen zu können, was mir heute wie selbstverständlich erscheint. Wenn es die Schulpflicht nicht gäbe, dann hätte ich längst Frau und Kinder eingepackt und wäre … tja, wenn … So helfen mir im Täglichen kleine Achtsamkeits- und Dankbarkeitsübungen, die mich an den Dingen erfreuen lassen, die mir nach kurzer Zeit immer wie selbstverständlich erscheinen: die Erfindung der Zahnbürste, ein warmer Schuh, Corn Flakes, Steckdosen für mein iPhone, WhatsApp, heißer (!) Espresso, der Buchdruck, elektrisches Licht.

Frage Dich einmal:

  • Was ist in deinem Leben selbstverständlich geworden?
  • Wofür bist du heute dankbar?
  • Was ist hinter den Türen, die die Schlüssel deines Bundes öffnen?
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Ralph Kunze
Ralph Kunze
6 Jahre zuvor

Hallo,
ich habe viele Jahre für christliche Hilfsorganisationen weltweit (über 100 Länder…) gearbeitet und jedes Mal, wenn ich von einem Einsatz nach Hause zurückkam, wusste ich wieder, wie beschenkt wir sind in Deutschland sind – und wie wenig wir das im Grunde zu schätzen wissen. Es ist alles so selbstverständlich für uns, das (heiße) Wasser aus dem Hahn, der Strom, das Smartphone, das Auto, der Urlaub… Ich bin meinem HERRN jeden Tag dankbar und wünschte, jeder junge Mensch sollte einmal für eine Zeit in einer anderen Welt verbringen und unseren Wohlstand schätzen lernen.
Jetzt bin ich Rentner, aber mich zieht es immer wieder hinaus zu den Menschen, die einfach und oft doch glücklicher leben und sich über jeden Besuch unheimlich freuen.

Engel-schuster
Engel-schuster
6 Jahre zuvor

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