Erstaunt höre ich meinem Freund zu, der mir erzählt, dass er eben mit seinem Chef gesprochen und diesen gebeten habe, seine Arbeitszeit um einige Prozentpunkte zu verringern. Auf mein Nachfragen erklärt er mir: „Ich habe mir überlegt, wie das wohl sein wird, wenn ich auf meinem Sterbebett liegen werde. Dabei ging mir auf, dass ich dann wahrscheinlich nicht sagen werde: ‚Hätte ich doch mehr gearbeitet!‘ Wahrscheinlich werde ich sagen: ‚Hätte ich mir doch mehr Zeit für meine Frau und die Kinder genommen‘.“
In meiner Praxis habe ich dagegen immer wieder mit Männern zu tun, die sich nicht gegen die Überlastung durch den Beruf wehren können. Abgesehen davon kann natürlich nicht jeder seine Arbeitszeit einfach so verringern.
Was ist das eigentlich, was uns im Arbeitsleben so stresst?
„Ich will Spaß auf der Arbeit!“
Viele Menschen starten heute ins Arbeitsleben mit der Einstellung: „Ich will einen Beruf haben, der mir richtig Spaß macht.“ Dieses Anliegen ist zutiefst verständlich, aber es schrammt haarscharf an der Realität vorbei. Schon im ersten Buch Mose macht Gott sehr deutlich, dass Arbeit mit Mühsal, Misserfolg und Schweiß verbunden ist (1 Mose 3,17ff). Von Spaß steht da leider wenig. Genau das erleben viele in ihrem Alltag und sind dann höchst frustriert und niedergeschlagen.
Warum Arbeit auch nervt
So befriedigend und sinnstiftend Arbeit auch sein kann – sie bedeutet auch Mühsal. Zum einen sind da die beiden „Zwillinge“ Überlastung und Unterforderung. Ich erlebe immer wieder, dass Menschen sowohl das eine als auch das andere ziemlich schlecht ertragen können.
Dann sind da die Misserfolge: Projekte, die scheitern, Kunden, die abspringen, Aufträge, die wegbrechen, Konkurrenten, die einen überholen u. a.
Zu allem Übel gibt es noch die blöden Anderen: den cholerischen Chef, den hinterhältigen Kollegen, die verpeilte Sekretärin, den mobbenden Vorgesetzten …
Auch die wirtschaftliche Lage macht vielen zu schaffen: Die nächste Rezession steht immer kurz bevor, und gefühlt ist mein Arbeitsplatz fast nie so richtig sicher.
Und wenn ich abends nach Hause komme, sind da meine Frau und die Kinder, die mal wieder quengeln: „Warum kommst du erst jetzt?“ „Warum kannst du nicht wenigstens einmal deine Prioritäten anders setzen?“
Mein Anteil
Oft vergessen wir, dass wir uns manchmal selbst im Weg stehen, denn wir bringen unsere Persönlichkeitsmerkmale mit: wie strukturiert oder chaotisch ich arbeite, wie verletzlich und empfindlich oder cool und gelassen ich bin, wie durchsetzungsfähig oder nachgiebig, wie schüchtern oder sozial kompetent ich agiere. All dies wirkt sich auf meine Arbeit und meinen Umgang mit Kollegen aus.
Was helfen kann
Viel helfen könnte es vielleicht schon, unsere Einstellung zur Arbeit zu verändern. Natürlich habe ich den Wunsch, dass mir meine Arbeit Freude macht, dass sie mich befriedigt und dass ich durch sie mich selbst als wertvoll erlebe. Allerdings sollte ich nicht den Fehler machen, mich nur dadurch zu definieren. Sonst habe ich immer dann ein fettes Problem, wenn die Arbeit aus einem der oben genannten Gründe mühselig wird.
Mir persönlich hilft es, mir immer wieder mal klarzumachen: Zur Arbeit gehört auch, dass sie nicht immer Spaß macht und mir manchmal richtig auf den Keks geht. Wenn ich mich dem realistisch stelle, halte ich es schon viel besser aus. In der Psychologie nennt man das Psychohygiene: Sich der Realität stellen, den Dingen ins Auge sehen, Unveränderliches akzeptieren und das Beste daraus machen.
Natürlich hilft es auch, sich außerhalb des Berufs einen Ausgleich zu schaffen, z. B. durch Familienaktivitäten, Sport, ein Ehrenamt, Mitarbeit in einer christlichen Gemeinde, ein Hobby. Mitunter kann man auch so einen ungewöhnlichen Weg gehen, wie mein eingangs erwähnter Freund. Seien sie kreativ!