Mehr als drei Milliarden Menschen weltweit (Stand: 2016) nutzen das Internet, die meisten davon sind Männer. Hauptnutzer sind, laut einer Studie des „Pew Search Centers“, die Südkoreaner, gefolgt von Australiern und Kanadiern. Was macht das Internet – besonders für Männer – so attraktiv?
Mein Schlüsselerlebnis
Es war an einem Samstag irgendwann in den frühen 1980-ern: Ich besuchte als junger Student meine erste Computermesse. Da stand ich vor all den grauen Kisten mit ihren grünlich flimmernden Monitoren – und konnte nichts mit ihnen anfangen. Plötzlich entdeckte ich zwei Knirpse – waren es noch Kindergartenkinder oder bereits Grundschüler? – die souverän die Tastatur bedienten und viel Spaß bei einem Computerspiel hatten. Anschließend versuchte ich selbst mein Glück und scheiterte kläglich. Was für eine Schande! Ich hatte keinen blassen Schimmer, wie man das Ding bedient oder welche Tasten man wofür betätigen muss. Ich kam mir vor wie ein Analphabet!
Nach diesem Schlüsselerlebnis fasste ich den Entschluss: „Wenn du dich später mal vor deinen Kindern nicht blamieren willst, dann musst du unbedingt diese Computer beherrschen lernen!“ – Jahre später gründete ich meine eigene Computerfirma …
Männer lieben das Internet
So ein Computer ist schon toll, und seit es Internet gibt, sind fast alle Infos nur noch paar Klicks weit entfernt. Die frühere Vision von Bill Gates – in jedem Haushalt ein PC – ist in den Industrieländern längst Wirklichkeit. Mehr noch: Neben den klobigen Desktop-PCs, die immer seltener werden, finden wir internetfähige Smart-TVs in den Wohnzimmern, bunte Notebooks auf vielen Schreibtischen und eine Vielzahl von Smartphones bereits bei Kindern. Schöne neue Hightech-Welt!?
Besonders uns Männern kam diese ganze Entwicklung sehr entgegen. Vor Technik haben wir in der Regel keine Berührungsängste, im Gegenteil! Diese Rechensklaven sind allzeit verfügbar, Tag und Nacht: In letzter Minute noch ein Flug- oder Bahnticket besorgen? Kein Problem! Den nächsten Urlaub organisieren? Das Reisebüro spare ich mir! Wie steht es mit meinen Aktien? Schnell mal nachgeschaut! Geschenk für die Liebste noch nicht besorgt? Rein ins Online-Shopping!
Das Schöne dabei: Wir müssen mit niemandem reden, nichts erklären oder fragen, selbst ist der Mann!
Und sollten wir doch mal Lust auf Interaktion bekommen – auch das ist möglich. Die verschiedenen sozialen Netzwerke warten nur darauf, dass wir uns einklinken, uns präsentieren, plaudern, diskutieren, Geschäftsbeziehungen knüpfen oder was auch immer. Und wenn wir keine Lust mehr auf Kommunikation haben, gehen wir einfach offline.
Aber auch der männliche Spieltrieb kommt nicht zu kurz: Ob es ein kleines Online-Match zwischendurch ist, eine „Karriere“ in einem Online-Spiel oder einfach nur ein Ego-Shooter-Geballere – die Spielmöglichkeiten sind schier unbegrenzt.
Nur passiv zu konsumieren, ist den meisten Männern zu wenig. Da kam das vor mehreren Jahren eingeführte Web 2.0 gerade richtig: Hier wird der Konsument zum Akteur, der Leser zum Autor, der Zuschauer zum Filmregisseur. Sogar ganze Radiosendungen sind nicht nur den Profis vorbehalten: Warum nicht einen eigenen Podcast starten? Die entsprechende Software kann man teilweise sogar kostenlos herunterladen.
Unterschiede zwischen Männern und Frauen
Was ursprünglich als Informationsnetz für den Austausch von geheimen militärischen Informationen begann, ist inzwischen zu einem weltumspannenden Netz geworden, das Menschen, Dienstleistungen, Informationen u. a. miteinander vernetzt. Von dieser Netzstruktur her ist das Internet in etwa mit dem menschlichen Gehirn zu vergleichen. Dieses weist jedoch Unterschiede zwischen den Geschlechtern auf, und dazu analog gehen Männer etwas anders mit dem Internet um als Frauen. Vernetztes Denken und Handeln an sich fällt den Frauen in der Regel leichter als Männern, denen eher das lineare Denken und zielorientierte Handeln liegt (Ausnahmen bestätigen die Regel). So nutzen Frauen eher die kommunikativen Seiten des Internets (Chats) und Männer eher die vielfältigen Möglichkeiten der Informationsbeschaffung (in Form von Texten und Bildern).
Das Internet verändert unsere Art, zu denken und zu kommunizieren. Wir sind herausgefordert, in der Fülle von Informationen Relevantes von Irrelevantem zu unterscheiden. Auch brauchen wir Disziplin, nicht jederzeit für alle erreichbar zu sein.
Online-Süchte
Das Potenzial dieser Vernetzung ist enorm – sowohl zum Guten als auch zum Bösen. Ermöglicht es einerseits kollektive Intelligenz in atemberaubender Geschwindigkeit, werden Demokratisierungsprozesse beschleunigt und die Macht der Medien beschnitten (Blogosphäre), verlagert sich andererseits die weltweite kriminelle Energie zunehmend auf das Internet (z. B. Ausspionieren von Passwörtern), und das eben nicht mehr nur von Einzelpersonen, sondern auch vom organisierten Verbrechen und weltweiten Terrorismus. Auch hier spielen leider die Männer eine Vorreiterrolle.
Doch auch der einzelne Mann nutzt nicht nur die positiven Seiten des Netzes, sondern ist auch Gefährdungen ausgesetzt. Hierbei scheint gerade der Mann besonders anfällig für „Online-Süchte“ zu sein. Unter Online-Süchten, Internetsucht oder pathologischem Internetgebrauch versteht man folgende Süchte:
– die Sucht, online Dinge einzukaufen oder zu ersteigern,
– die Sucht, online zu spielen,
– die Sucht, online Informationen zu suchen, sammeln und zu horten,
– die Sucht, online pornografische Angebote zu konsumieren,
– die Sucht, online zu kommunizieren (E-Mail-Sucht, Chat-Sucht).
Außer der Pornografie sind alle diese Tätigkeiten an sich nicht verwerflich – auf das Maß kommt es an. Kommt es zur PC- oder Online-Abhängigkeit, hinterlässt sie ähnliche Spuren im Gehirn wie Drogen und Alkohol, so das Ergebnis einer Studie der Berliner Charité, einer der größten Forschungseinrichtungen Europas. „Auch beim PC-Missbrauch entsteht ein Suchtgedächtnis im Gehirn. Die zugrundeliegenden Lernmechanismen sind vergleichbar mit anderen Drogen“, betont Forscherin Sabine Grüsser-Sinopoli (inzwischen verstorben). 2005 hatte sie erstmals beim Messen der Gehirnströme von Computerspielabhängigen ähnliche Muster gefunden wie bei Alkoholikern. „Die exzessiven Computerspieler waren viel erregter als andere PC-Nutzer“, so Grüsser. Das PC-Spiel verschafft den Abhängigen einen Kick und unterdrückt unangenehme Gefühle genauso wie das Bier beim Alkoholiker. Das Belohnungssystem im Gehirn wird aktiviert, die berauschende Erfahrung im Suchtgedächtnis gespeichert. „Das Hirn lernt, dass der Computer das Einzige ist, was wirklich Spaß macht“, sagt Grüsser.
Immer mehr Online-Süchtige oder deren Angehörige melden sich bei den Suchtberatungsstellen. Der Verlust oder die Nichtverfügbarkeit des Smartphones wird von vielen jungen Menschen als eine der größten Katastrophen empfunden.
Als besonders anfällig für die verschiedenen Formen von Internetsucht gelten laut mehreren internationalen Studien Alleinstehende und Arbeitslose, Personen mit einer unsicher-unreif-gehemmten Persönlichkeitsstruktur und selbstverliebte Individuen mit sadistischen Impulsen.
Männer reagieren anders auf Stress als Frauen. Diese reagieren eher problemorientiert und suchen das Gespräch mit anderen. Männer hingegen reagieren eher vermeidend, versuchen zu überspielen, sich abzulenken oder in innere Welten abzutauchen (oder eben ins Internet). Die Abschaffung eines überholten Männlichkeitsbildes verstärkt das Dilemma: In virtuellen Spiele-Welten kann man noch Held sein, Schlachten gewinnen, alles kontrollieren und Prinzessinnen befreien.
Medienkompetenz entwickeln
Es geht nicht darum, Computer, Smartphones etc. und das Internet zu verteufeln. Sowohl im Privatbereich als auch am Arbeitsplatz sind sie kaum noch wegzudenken und sind hilfreiche Instrumente zur Bewältigung unseres komplexen Alltags. Allerdings gehört es zu den Kernkompetenzen unserer Zeit, auf die richtige Weise mit dem Internet, dem PC, dem Fernseher, dem Handy etc. umzugehen. Dabei geht es um mehr, als diese Geräte einfach nur zu beherrschen. Es geht darum, verantwortungs- und maßvoll mit diesen Medien umzugehen, auch Alternativen zu nutzen. Hierzu kann auch der (zeitlich begrenzte) Verzicht gehören. Wer z. B. werktags den PC beruflich von morgens bis abends nutzt, darf ihn am Sonntag ruhig auslassen und lieber ein Buch lesen, Zeit mit Freunden verbringen, einen Ausflug machen u. a. Nicht jeder Text muss am Bildschirm gelesen werden – die Augen sind dankbar für Gedrucktes. Und besser als jede virtuelle Begegnung im Internet ist immer noch die physische Begegnung mit echten Menschen, die alle Sinne mit einbezieht.
Als Väter sollten wir einen Blick darauf haben, wie unsere Kids ihre Freizeit verbringen und sie nicht einfach stundenlang ihren Spielekonsolen, Tablets und Smartphones überlassen. Aus unserer eigenen Medienkompetenz sollte Medienpädagogik werden, indem wir Kindern und Jugendlichen beibringen, wie man sinnvoll und maßvoll mit den Medien umgeht. Auch kann es ein Erlebnis für beide Seiten sein, wenn wir mal wieder etwas zusammen unternehmen – am besten draußen.
Was finden Männer im Netz? Fast alles, was sie dort suchen. Suchen Sie das Richtige! Und nicht vergessen: Gehen Sie auch wieder offline!