Von Männern, die träumen

Träumen
© Gerd Altmann / pixabay.com

Von Männern, die träumen

„Träumen“ ist ein wichtiges Thema – in unserem Leben, aber auch in der Bibel. Denn Gott redet auch durch Träume, und das nicht nur zu frommen Menschen. Der Umgang mit gottgewirkten Träumen ist überaus wichtig, aber niemand belehrt uns darüber. Warum eigentlich nicht?

Josef, der Träumer

Eine anschauliche Geschichte von einem jungen Mann, der Träume hatte, finden wir bereits ziemlich am Anfang der Bibel, im ersten Buch Mose, Kapitel 37. Es geht um Josef, einem werdenden Mann, und zu dieser Mannwerdung trugen seine jugendlichen Träume entscheidend bei. 

Aber wie reagierten seine Brüder? Wir lesen den unerfreulichen Satz: „Einst hatte Josef einen Traum. Als er ihn seinen Brüdern erzählte, hassten sie ihn noch mehr.“ (1 Mose 37,5) – Leider reagierte Josefs Familie ganz anders auf seine Träume als später der Pharao, der Josef anerkannte als einen Mann, „in dem der Geist Gottes wohnt.“ Josefs Brüder lehnten sowohl den Traum als auch den Träumer rundweg ab. 

Mut zum Träumen

Auch heute noch ist eine solche Reaktion weit verbreitet. Sogar in christlichen Gemeinden wird mit gottgewirkten Träumen und Visionen, wenn überhaupt, nur als Ausnahmeerscheinung gerechnet – bei Jugendlichen schon gar nicht. Es wird auch nicht als notwendig betrachtet, „da wir ja die Schrift haben“. Und passen die Träume nicht nahtlos in die gängigen theologischen Konzepte, oder erschließt sich nicht sogleich ihre Bedeutung, ist man schnell damit fertig. Es scheint unangebracht, sich mit Träumen abzugeben. Daher machen auch heutzutage Männer häufig dieselbe Erfahrung: Man hat einen Traum, erzählt ihn seinen Brüdern ­– und blitzt mächtig ab.

Viele Männer haben mir in seelsorgerlichen Gesprächen schon Träume mitgeteilt, die sie nie im Leben gewagt hätten, irgendjemandem, geschweige denn ihrer Gemeinde, zu erzählen. Erst wenn sie gleich die Deutung des Traumes hätten mitliefern können und auch schon die Ergebnisse bzw. Erfüllung, hätten sie vielleicht in Form eines Glaubenszeugnisses darüber berichtet. Dann erst im Nachhinein hätten sie sich sicher genug gefühlt, darüber zu sprechen. Ich habe erlebt, wie sehr sie die Verurteilung und das Missverstehen ihrer Freunde und Gemeinde fürchteten. Also schwiegen sie lieber, wie Männer das ja so oft tun: Sie behalten alles für sich selber, bewegen es tief in ihrem Innern, bis sie es schließlich vergessen und verdrängen. Einem Mann zu entlocken, was er wirklich in seinem Herzen denkt, braucht viel Geschick und Geduld.

Träume fordern heraus

Wie sehr haben sich die Brüder über Josef geärgert, weil dieser einfach Träume hatte – und darin auch noch eine Botschaft Gottes sah, die ihn zu etwas Besonderem machte. Wie kam er mit seinen gerade mal 17 Jahren dazu?! Das nervte. Was sollten auch diese Jugendträume anderes sein als typische Größenwahnsideen eines jungen Mannes voller Testosteron? Dabei ging es bei der schicksalhaften Bedeutung dieser Träume, wie wir im Nachhinein wissen, um ihre Zukunft. Weil das ihren Horizont überstieg, konnten sie nichts anderes damit anfangen, als sich darüber zu ärgern und Josef abzuweisen. 

Das ist so ein Problem mit den Träumen und Visionen: Sie umgehen unsere Vorstellungen und Traditionen. Sie fragen nicht um Genehmigung von „vorgesetzter Stelle“ und nach professioneller Prüfung von Experten. Sie fordern unangekündigt und unerwartet unsere Erwartungslosigkeit und Verschlafenheit heraus. Sie stören uns. Gott erreicht uns aber oft nur, wenn er uns stört und provoziert. Gerade das, was wir „hassen“ und gerne abstellen wollen, erweist sich als das Mittel Gottes, um uns aus unserer Routine und Verschlafenheit herauszureißen und uns zu retten.

Verärgerte Reaktionen

Die Reaktion der Familie war für den jungen Mann Josef unglaublich hart. Eine Familie, aber auch eine Gemeinde kann sehr böse werden, wenn ihre Mitglieder sich nicht in allem nach ihr richten, sondern eigene Träume hegen. Wie gefährlich! Sowohl die Familien- als auch die Gemeindetradition kann wie ein ständiger Filter wirken, der alles ausblendet, was nicht zur eigenen Philosophie passt und jedes Mitglied auf eine bestimmte Position und Rolle festlegt. Was Gott will, ist dabei letztlich nicht relevant. Er soll unsere Agenda einfach absegnen und fertig. Schließlich wird er ja wohl nicht etwas anderes wollen als wir!

Auch bei einem Mann namens Jesus war das nicht anders. Gerade seine eigenen Leute ärgerten sich über ihn (Mt 13,54-57) und wollten ihn sogar töten (Lk 4,28f.). Denken wir auch daran, dass die Familie Jesu der Meinung war, Jesus sei schlichtweg verrückt geworden und müsse eingefangen werden (Mk 3,20f.)! Nie wären sie darauf gekommen, worum es in Wahrheit ging: sie zu retten in der kommenden Not. 

Träume zulassen

Die Josefsgeschichte kann uns lehren, die Träume eines jungen Mannes nicht so einfach als rein seelisch oder als hormonell bedingt abzutun. Das kann ja sein – aber es kann auch ganz anders sein. Wir müssen unterscheiden lernen. Wenn Gott einen Traum, eine Vision, eine Offenbarung schenkt, geschieht dies oft in Form von Bildern oder Symbolen. Erst wenn wir weiter darüber nachdenken und beten, entfalten sich weitere Details und Zusammenhänge. Dafür müssen wir uns natürlich Zeit nehmen, die wir oft nicht bereit sind, zu investieren. 

Zwar beten wir vielleicht immer wieder um Hilfe, wir haben vielleicht sogar eine Gebetsstunde in der Gemeinde eingerichtet; aber dass Gott Antworten ausgerechnet durch Träume schicken könnte, daran denken wir nicht im Traum! Und wenn jemand überhaupt einmal wagt, seinen Traum zu erzählen, dann bringen wir diesen garantiert nicht in Zusammenhang mit den Gebeten der Gemeinde. Das ist das Dilemma. Darum müssen wir in unserer Beurteilung der „Träumer“ vorsichtig sein, um uns nicht der gleichen Fehleinschätzung, Eifersucht und Missgunst schuldig zu machen wie die Brüder Josefs.

Leider haben heutzutage junge Männer und ihre Träume genauso schlechte Karten wie damals Josef. Und leider gehen viele von ihnen wie Josef weg und lassen sich von Gott außerhalb unseres frommen Systems zurüsten. Er legt einen Keim von Berufung in sie hinein, der dem Leben eine bestimmte Richtung und Entwicklung gibt, die, wenn alles gut geht, einen Mann zu einer wirkungsvollen Antwort Gottes und zu einem „Retter“ macht. Welcher Mann wollte das nicht?  

Ein junger Mann ist noch zugänglich für Träume, weil sein Herz noch nicht hart geworden ist durch Enttäuschungen. Deswegen träumen oft gerade junge Leute, und manche dieser Träume sind von Gott. Vielleicht sind sie (auch) unsere Zukunft. 

Wir brauchen die Josefs …

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