„Die Mama macht das aber immer anders!“, protestiert Noah lauthals, als sein Papa ihn abends fürs Bett fertig macht.
Neugierig lausche ich dem Gespräch aus dem Nebenzimmer. Nach einer kurzen Pause höre ich meinen Mann sagen: „Falls es dir noch nicht aufgefallen ist: Ich bin der Papa, nicht die Mama!“ Gut so, denke ich. Und wie schon so oft geht mir der Satz durch den Kopf: „Mein Mann ist eine schlechte Mutter, aber ein wunderbarer Vater!“
Ja, das sage ich mir, wenn er unsere große (und doch auch manchmal noch so kleine) Tochter allein im Skilift fahren lässt, wenn er wilde Tobezeiten nach dem Abendessen anberaumt oder seine kleine Prinzessin nach dem Wickeln hoch in die Luft schmeißt. Auch wenn bei mir sämtliche mütterliche Alarmstufen auf Rot schalten, weiß ich doch im Innersten, dass unsere Kinder genau das brauchen: einen Papa, der nicht nur fürsorglich, sondern auch stark ist; einen Papa, der sie bis an ihre Grenzen bringt – und manchmal noch ein Stückchen weiter; einen Papa, der sie aus dem sicheren Nest mit dem Bungee-Seil abseilt, während mein Mutterherz sie am liebsten ganz festhalten will.
Mein Mann ist eine schlechte Mutter …
Doch diese Erkenntnis hatte ich nicht immer. Gerade am Anfang unserer Zeit mit Kindern habe ich meinem Mann oft das Gefühl gegeben, dass nur ich und ich allein mit unserem Nachwuchs richtig umgehen kann. Schließlich habe ich dieses Baby in meinem Bauch gehabt, habe es unter Schmerzen zur Welt gebracht, habe es ernährt, habe seine tiefsten Bedürfnisse zu verstehen versucht. Und da kommt dieser Mann daher und denkt, er wüsste es besser, dass unser Kind jetzt kein fünftes Mal trinken, sondern sich einfach fünf Minuten müde schreien muss!
Nein, die Kontrolle aufzugeben fällt mir nach über neun Jahren Mama-Sein immer noch nicht leicht. Schließlich verbringe ich die meiste Zeit mit unseren Kindern, habe viel Einblick in ihre Seelen. Wenn Papa dann am Abend meint, dass – statt ausreichend Schlaf zu kriegen – jetzt lange Vorlesezeiten dran sind, dann wird der erste Teil des Satzes plötzlich riesengroß: „Mein Mann ist eine schlechte Mutter …“ und ich mache meinem Unmut Luft. Oft nimmt mein Liebster es gelassen. Nur wenn er mich mit „Frau General“ anspricht, dann weiß ich: Wieder einmal bin ich in die Kontroll-Falle getappt!
Ich meine zu glauben, wenn nur alles so laufen würde, wie ich es wollte und alle nach meiner Pfeife tanzen, dann, ja dann wäre meine kleine Welt in Ordnung. Nur: Jesu größtes Ziel mit meinem Leben ist nicht unbedingt meine permanente Harmonie. Gerade durch ungeplante (und ungewollte) Umstände und Menschen, die sich nicht kontrollieren lassen, arbeitet er an mir, verändert er mich und lässt mich immer mehr von seiner Gnade abhängig sein. Er ist nicht immer angenehm, dieser Veränderungsprozess, doch ich merke, dass ich mich dieser Herausforderung jeden Tag aufs Neue stellen möchte.
… aber ein wunderbarer Vater!
So habe ich es mit der Zeit sehr schätzen gelernt, durch meinen Mann einen anderen Blick auf Dinge zu bekommen. Väter sind nun einmal anders als Mütter – und das ist auch gut so! Inzwischen habe ich begriffen, dass es unsere Kinder überleben, ja, dass es ihnen sogar guttut, wenn nicht ständig ihre Mama um sie „herumgluckt“. Einmal im Jahr fahre ich sogar für ein ganzes Wochenende weg und überlasse meine Bande sich selbst. Gut, vielleicht haben sie ein wenig mehr ferngesehen als bei mir, und die Kleiderauswahl ist auch nicht unbedingt katalogtauglich – dafür verraten ihre strahlenden Gesichter, dass das Papa-Wochenende ein voller Hit war.
Auch wenn ich im Alltag immer wieder mal in mein altes Kontrollmuster zurückfalle, gibt es doch auch Fortschritte zu berichten. Als ich vor kurzem abends zu einem Frauenabend aufbrechen wollte, rief ich meinem Mann im Gehen noch zu: „Und schau, dass Junia ihren Schlafsack anzieht. Und Fiona braucht noch Nasentropfen. Und vergiss nicht …“. Da lächelte er mich an, rollte mit den Augen und murmelte: „Ja, ja!“ Da war er wieder, dieser Satz, und heute war`s der zweite Teil: „ … aber ein wunderbarer Vater!“ Guten Mutes ging ich zur Tür und wusste: Selbst wenn Junia ohne ihren Schlafsack und Fiona ohne ihre Nasentropfen einschlafen sollte, die Kinder würden einen schönen Papa-Abend verbringen, und Jesus würde die Welt einfach weiter drehen.