Krisengespräche – unsere Entscheidungen spielen eine Rolle

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Krisengespräche – unsere Entscheidungen spielen eine Rolle

Hier stand ich nun, wütend über die Ungerechtigkeit der Welt und auf mich selbst. Eine schlechte Nachricht, externe Einflussfaktoren sowie Entscheidungen anderer hatten mich gezwungen, fertige Pläne über den Haufen zu werfen. Dabei hätte doch alles so gut gepasst! Nun stand die harte Arbeit der letzten Wochen auf der Kippe.

Zutiefst frustriert textete ich die schlechte Nachricht samt meinem geballten Ärger einem Freund. Kurze Zeit später kam seine – wie erhofft – aufmunternde Antwort: Noch heute würde er sich Zeit nehmen, um mir zuzuhören. Denn genau das braucht man ja manchmal: jemanden, der zuhört. Und im Idealfall durch seinen Blickwinkel den Tunnel weitet und Licht hineinlässt in die eigene, so dunkel erscheinende Gedankenwelt.

Doch als das Telefon schließlich läutete, lief das Gespräch anders ab als erhofft. Mein gesamter Ärger, meine ohnmächtige Wut und mein Frust vermischten sich mit Gedankengängen, die gar nichts mit dem aktuellen Erlebnis zu tun hatten, zu einem Sintflut-artigen Wortschwall. Es war, als sei mein logisches Denken durch mysteriöse chemische Prozesse außer Kraft gesetzt worden. Zugleich ergab der Redeschwall aus meiner Sicht auch irgendwie Sinn. Das Telefonat war das Ventil, das mir die Chance gab, Druck abzulassen.

Die Macht der Biologie

Unzählige Male hatte ich in Kursen über solche zutiefst menschliche Reaktion im Gehirn referiert. Denn jeder einzelne der mehr als 180 nachgewiesenen, automatischen und reaktiven Abläufe im Gehirn kann die eigentlich friedliche Freundschaft gefährden. „Doch es gibt eine Lösung!“ hatte ich bislang mit Überzeugung verkündet: „Wisse um die automatischen Prozesse und ihre Wirkungen, wähle bewusst Dein Verhalten – und alles wird gut.“

Alles wird gut? Von wegen! Mein Wissen um die detaillierten Abläufe im Gehirn hatte mir gar nicht geholfen. Es hatte nicht nur meinen Redeschwall nicht verhindert, sondern außerdem zugelassen, dass ich gegenüber meinem Freund die Grenzen des Respekts und der Wertschätzung überschritten hatte. Seine Bereitschaft, mir zuzuhören und mir beratend zur Seite zu stehen, wurde von der Sintflut mitgerissen und in ihr ertränkt. Er legte schließlich auf.

Und wie reagierte mein Gehirn reflexartig darauf? „Erst Unterstützung anbieten und dann einfach auflegen? Was für eine Unverschämtheit! Gleich den Kontakt löschen! Solche Freunde braucht kein Mensch!“ Dass – bei nüchterner Betrachtung – auch das Verhalten meines Freundes aus seiner Sicht einen Sinn ergeben könnte, erschloss sich mir damals nicht. Hilfe anzubieten bedeutet ja nicht automatisch, sich als seelischen Mülleimer zur Verfügung zu stellen.

Die Chance, Verantwortung zu übernehmen

Es dauerte eine Weile, bis die chemischen Prozesse, die mein Gehirn auf rein reaktives Denken reduziert hatten, abgelaufen waren, und mein Kopf wieder „funktionierte“. Trotzdem benötigte ich noch etwas Zeit, bis ich in der Lage war, diese Worte zu schreiben: „Es tut mir leid, lieber Freund. Du hast mich in unserem Gespräch so erlebt, wie ich nicht sein will.“

Ich schrieb ihm weiter, dass es für mich das Wichtigste sei, nahestehenden Menschen – also auch ihm – durch mein Verhalten Sicherheit zu geben und sie spüren zu lassen, wie wichtig sie mir sind. Umso mehr frustriere mich die Erkenntnis, wie schwer es mir trotz meines theoretischen Wissens fällt, rudimentären biochemischen Prozessen Einhalt zu gebieten und stattdessen mein zentrales Anliegen in Worte zu fassen.

Ich sei wohl immer noch nicht ausreichend trainiert, um einen in mir hoch kochenden Redeschwall rechtzeitig zu erkennen und ihn umzuleiten. Jetzt aber wolle ich zumindest Verantwortung für mein Verhalten übernehmen. „Was immer ich tun kann, um negative Auswirkungen meines Redeschwalls zu reparieren, werde ich tun“, versprach ich.

Begrenzter Einfluss auf Entscheidungen anderer

Wie mein Freund reagiert hat? Ich weiß es nicht, die Geschichte ist erst kürzlich passiert. Doch mir ist erneut bewusst geworden, dass ich Vieles im Leben nicht beeinflussen kann, etwa die Entscheidungen oder das Verhalten anderer. Inmitten dieser Ohnmacht habe ich jedoch die Wahl: Gebe ich meinen intuitiven Reflexen nach – oder trainiere ich meine Fähigkeiten, schwierige Gespräche besser zu führen oder beschädigtes Vertrauen zu reparieren?

Meine Überzeugung ist: Zum Problem wird nicht, was ich noch nicht gelernt habe, sondern das, was ich bewusst nicht lerne, obwohl Gelegenheit dazu besteht.

Der Wille zu besseren Entscheidungen

Mit unseren Entscheidungen nehmen wir Einfluss auf die Welt. Unsere Entscheidungen verändern unsere eigene Geschichte sowie die der Menschen, die uns nahestehen. Ich beispielsweise hoffe derzeit auf ein zweites Gespräch mit meinem Freund. Diesmal werde ich dafür meinen Leitfaden zur Vorbereitung schwieriger Gespräche“ nutzen.

Wie verhalten Sie sich in emotional geladenen Gesprächssituationen? Wie würden sich Ihre privaten und beruflichen Beziehungen verändern, wenn Sie sich gerade in dieser für viele Menschen schwierigen Zeit dafür entscheiden, Ihre Fähigkeiten für positiv verlaufende Krisengespräche zu trainieren? Was hält Sie derzeit von einem regelmäßigen Training ab?

Fazit:

  • Wissen alleine, also ohne intensives Training der dazu passenden Fähigkeiten, ist in schwierigen Situationen wenig hilfreich.
  • Das Verhalten eines jeden Menschen ergibt in einem bestimmten Kontext und aus seiner Sicht heraus Sinn – was noch lange nicht bedeutet, dass es auch förderlich ist für das Entstehen von gegenseitigem Vertrauen.
  • Die Entscheidung, fehlende Fähigkeiten zu trainieren, ist der erste Schritt zur positiven Veränderung der eigenen Geschichte.

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