Das Leben in einer Gesellschaft voller Überfluss kann manchmal ganz schön herausfordernd sein. Vor allem, wenn Mann und Frau unterschiedliche Ansichten zu folgendem Thema haben: „Was ich alles für mein Leben brauche!“
Ich für meinen Teil mag es gerne aufgeräumt, ordentlich, nicht überladen. Lieber ein Sächelchen weniger, das herumsteht, als eines zu viel. Regelmäßig miste ich meinen Kleiderschrank aus, sehe meine Unterlagen durch, behalte nur das Notwendige und – zugegeben – ab und zu auch einen Gegenstand allein aufgrund seines Nostalgiewertes. Doch im Großen und Ganzen glaube ich, dass ich mit weniger Ballast leichter durchs Leben komme.
Mein Mann dagegen schwankt da eher von einem Extrem ins andere. Nach dem Lesen eines Artikels oder Buches, in dem es um die wirklich wichtigen Dinge des Lebens geht (also um das, was nicht materiell ist), kann es schon mal passieren, dass ich ihn vor sich hinseufzen höre: „Eigentlich sollte man das alles verkaufen! Wir brauchen das doch überhaupt nicht! Wir leben im Überfluss! Wäre es nicht besser, wenn wir wirklich nur das behalten, was wir ganz dringend zum Leben brauchen, und den Rest weggeben?“
Früher bin ich bei diesen Worten regelrecht in Panik geraten. In Gedanken sah ich uns schon mit unserer einzigen Gabel in einem leeren Raum am Boden sitzen. Keine unnötigen Bilder dekorierten das Zimmer, sämtliche Fotoalben waren auf dem Second-Hand Basar verkauft worden. Kein Überfluss lenkte uns von den wirklich wichtigen Dingen des Lebens ab.
Doch inzwischen weiß ich: Solche Anwandlungen sind immer nur von kurzer Dauer. Denn im tiefsten Innersten ist mein Mann ein Exemplar der Spezies „Wir behalten es, man weiß nie, wofür man es mal brauchen kann!“ So hatte er bis vor kurzem vier Hosen und sechs T-Shirts in den Tiefen seines Kleiderschranks deponiert, die er ja noch zum Handwerkeln und Streichen verwenden könnte. Nur: Sowohl Handwerkeln als auch Streichen gehören so gar nicht zu seinen Lieblingsbeschäftigungen, er geht solchen Gelegenheiten also am liebsten aus dem Weg. „Und selbst wenn du mal irgendetwas streichen solltest“, so mein Argument, „ziehst du ja wohl kaum vier Hosen und sechs T-Shirts übereinander an, oder?“
An dieser Stelle darf ich vermelden, dass die Sachen inzwischen im Altkleidercontainer gelandet sind – just ein paar Tage bevor wir eine größere Umbau- und Streichaktion in unserer Wohnung vorgenommen haben, mit einigen Helfern, die dringend diese aussortierten Kleidungsstücke gebraucht hätten …
Dieses Ereignis hat mich zum Nachdenken gebracht. Bin ich vielleicht ein bisschen überkritisch in meinem Aufräumwahn? Sind die Tiefen des Kleiderschranks wirklich so wichtig für die Harmonie unserer Ehe? Denn, das muss ich gestehen, mein Liebster lässt weder seine Socken herumliegen noch seine Schuhe mitten im Flur stehen. So gesehen ist er eigentlich recht ordentlich. Unser Zusammenleben klappt zumeist sehr gut. Und in zwölf Jahren Ehe bin ich weder einem Leben mit nur einer Gabel noch einem Dasein zwischen Kleiderbergen wirklich gefährlich nahe gekommen.
Deshalb glaube ich, könnte ich mich inzwischen sogar damit abfinden, wenn er wieder dazu übergehen sollte, ein paar Klamotten zu horten. Dieses Mal werde ich schweigen. Werde mich zurückhalten. Denn: Wer weiß schließlich, wofür man die Sachen mal brauchen kann …