Der Jüngerkreis als erste christliche Männergruppe

Männerrunde
© Jack Sharp / unsplash.com

Der Jüngerkreis als erste christliche Männergruppe

Die Sehnsucht als Mutter des Gebetes

Oft sagt man, dass der Wunsch der Vater des Gedankens sei. Wie aber, wenn die Sehnsucht zur Mutter des Gebetes wird? Gerne erinnere ich mich an die Anfänge unserer Offenen Männerrunde Großkarolinenfeld, als ich in der Unterkirche betend zunächst alleine, dann zu zweit und später bis zu zwölft auf die Männer gewartet habe. Seit elf Jahren kommen wir nun monatlich zusammen,  und von den 110 angekündigten Treffen ist bislang noch kein einziges ausgefallen.

Gebet, Erwählung und Begegnung auf Augenhöhe

Das Gebet gibt Jesus die Initialzündung für seinen Zwölferkreis. Am Berg verbringt er betend und in Einsamkeit die ganze Nacht. Am nächsten Tag erwählt er aus seinen Jüngern zwölf zum Großteil einfache Arbeiter, die er zu seinen Aposteln (griechisch: Gesandten) bestellt (vgl. Lk 6,12f.). Aus der Begegnung mit dem verborgenen Vater im Himmel erhält er die Weisung, zwölf Männer um sich zu scharen. Er spricht sie an. Er ruft sie mit Namen. Er geht auf sie zu. Er gibt ihnen zu verstehen, dass er sie braucht. Er lehrt sie das Vaterunser (Mt 6,5ff.), welches auch als immer wiederkehrendes Gebet in den Männerrunden gebetet werden kann.

Jesus holt die Männer genau da ab, wo sie sind. Im ersten Evangelium ist es der See als Lebens- und Arbeitsort der Fischer, an dem er einige zur Nachfolge als Menschenfischer ruft (vgl. Mt 4,19). Und sie folgen ihm radikal und ohne Hintertür sofort, freudig und ganz. Diese Bereitschaft in den Männern zu wecken gelingt nur dann, wenn man selbst Feuer und Flamme ist für das große Abenteuer Leben. Die Begegnung auf Augenhöhe in gegenseitiger Wertschätzung und mit vollem Respekt voreinander begünstigt gelingende Gespräche.

Geteiltes Männerleben in zweckfreier Atmosphäre

Mit den Aposteln teilt Jesus sein Leben als Wanderprediger. Er bildet in der kurzen Zeit seiner öffentlichen Wirksamkeit sozusagen eine Art Schicksalsgemeinschaft mit ihnen. Diese lebt vom Austausch, vom vertrauten Gespräch darüber, was ihnen widerfährt und was sie innerlich berührt. Jesus knallt den Männern keine vorgefertigten Antworten auf Fragen, die sie nie gestellt haben, hin. Er lebt so, dass sie von sich aus wissen wollen, wo er denn wohne, und er antwortet ihnen: „Kommt und seht!“ Da gehen die Jünger mit und sehen einen Tag lang, wo er wohnt, „es war um die zehnte Stunde“ (Joh 1,39). – Ein denkwürdiges Schlüsselerlebnis im Leben der Männer. 

Jesus schafft Rahmenbedingungen für zweckfreie Begegnungen, in denen Männer die sein dürfen, die sie sind. Er verleiht ihnen seine ganze Autorität und gibt ihnen den Auftrag, Kranke zu heilen, Tote zu erwecken und das Reich Gottes zu verkünden (vgl. Lk 10,9; Mt 10,8). Auch wir Männer von heute dürfen wissen, dass wir zu Großem fähig sind (vgl. Joh 14,12).

Bewegte und zerbrechliche Gemeinschaft

Die Apostel sind in Bewegung, sie wandern unbedarft und besitzlos von Ort zu Ort, sie lehnen jede Starre und Bequemlichkeit ab, denn nur eine bewegte Gemeinschaft bleibt lebendig. Ihr Zentrum ist Jesus, der Herr, er ist der Maßstab ihres Lebens, Denkens und Handelns. Sie sind nicht zum Nachahmen berufen, sondern zur aktiven Nachfolge. Sie stehen in der Verantwortung für das Wort, das ihnen mitgegeben ist. Dieses Wort ist ihre Richtschnur und hält sie zusammen. Beim Brotwunder sind sie es, die Brot an die Menschen verteilen (Mk 8,17; vgl. Lk 22,17). Jesus gibt Verantwortung an die Jünger ab, sie sollen selbsttätig vollenden, was er begonnen hat. 

Die Apostel sind keine Übermänner, sie haben um die Rangordnung gestritten (Lk 9,46), sie sind das Kreuz geflohen, Petrus hat Jesus verleugnet, Judas hat Jesus verraten … Das männliche Leben ist oft genug vom Versagen gekennzeichnet. Es hat in der Männerrunde ausdrücklich Platz, darf dort ausgesprochen und eingestanden werden. Es ruft uns zur Nachsicht und nach vorne in das Galiläa unserer geerdeten, banalen Alltäglichkeiten, wo der Herr längst auf uns wartet (Mt 28,7), auf dass wir das in der Runde heilsam Erfahrene und Besprochene auch wirklich tun. 

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Stefan Rotter
Stefan Rotter
1 Jahr zuvor

Sehr gute Beschreibung für eine gelingende Männerarbeit! Geschlechtsspezifische Ansprache ist elementar um sich als Mann angenommen und verstanden zu fühlen, was bei einer im Gesamtrend zunehmenden Verweiblichung der Gemeinden immer herausfordernder wird.