Virtuelle Helden

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Virtuelle Helden

Seit Jahren betreibe ich ein Hobby, das ich mit der großen Mehrzahl der jungen Männer in Deutschland teile: Ich spiele, zumindest gelegentlich, Computerspiele.

Daran ist an für sich nichts Verwerfliches. Obwohl noch immer heiß diskutiert, ist nicht nachgewiesen, dass das „Zocken“ etwa die Gewaltbereitschaft fördert. Das heißt jedoch nicht, dass es keine Risiken birgt. Wie beim allseits beliebten Feierabendbier sind auch hier vor allem große Mengen gefährlich. Denn Computerspiele, besonders solche, die online stattfinden, können süchtig machen.

Ersatz für reale Erfolgserlebnisse

Dazu liefert das Kriminologische Fachinstitut Niedersachen (KFN) in einer aktuellen Studie klare Zahlen: Von 11.000 befragten Jugendlichen verbringen 2 % der Jungen und 0,3 % der Mädchen täglich sechs Stunden oder mehr mit Computerspielen.

Um eine Abhängigkeit festzustellen, ist aber nicht allein der Zeitfaktor entscheidend: Süchtige Jungs können oft nicht vom „Zocken“ ablassen, geben dafür andere Hobbys auf oder nehmen Nachteile wie schlechte Leistungen in der Schule in Kauf. Bei manchen führt das soweit, dass sie unter Entzugserscheinungen leiden oder die Spiele ihre einzige Strategie werden, um mit negativen Emotionen umzugehen.

Davon gefährdet sind vor allem Jungs mit einem niedrigen Selbstwertgefühl. Diejenigen, die eine soziale Randstellung inne haben und ihrer Lebensrealität tendenziell entfliehen wollen, suchen sich in Computerspielen oft einen Ersatz für reale Erfolgserlebnisse.

„Virtuelle Helden“ sind vor allem Jungs

Die große Schere zwischen den Geschlechtern in dieser Studie ist kein Zufall. Das KFN erhebt: Etwa 88 % der Computerspielsüchtigen sind Jungs. Das liegt vor allem daran, dass das männliche Gehirn Belohnungen schätzt. Die Früchte der eigenen Leistung sehen zu wollen ist ein Wunsch, der tief im männlichen Denken verankert ist und für den Computerspiele maßgeschneidert sind. Auch deshalb haben diese Suchtpotenzial.

Was tun, wenn aus dem Potenzial eine Sucht geworden ist? Die Einrichtung Teen Spirit Island in Hannover etwa bietet stationäre Behandlungen an. Hauptziel der Therapie ist es, den Jugendlichen einen Sinn für reale Erfolgserlebnisse zu geben, etwa durch Sport. Im besten Fall sollte dies aber nicht erst in stationärer Behandlung geschehen. Schon Eltern sollten das Spielverhalten ihrer Kinder regulieren, ihr Selbstwertgefühl stärken und ihnen zu solchen Erfolgen verhelfen.

Wenn Sie merken, dass Ihr Junge bedenklich viel Zeit vor dem Rechner verbringt, gehen Sie mit ihm hinaus in die Natur oder unternehmen Sie etwas mit ihm, wofür er sich begeistern kann – abseits vom Bildschirm. Dann kann das Computerspielen für ihn das bleiben, was es für viele von uns jungen Männern ist: ein harmloses Hobby. Wenn ich den Bildschirm dagegen nicht mal mehr für eine Partie Schach mit meinem Vater verlasse, weiß ich, dass es Zeit wird, den Rechner abzubauen …

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