Allein ist der Mann

Allein
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Allein ist der Mann

Die meisten von uns kennen folgende Geschichte: Elia hat sich mit Isebel angelegt und Feuer vom Himmel regnen lassen – er allein. Dann verspricht ihm die hübsche Despotin, ihn umzubringen, und er flieht in die Wüste – er allein. Dort will er sterben, so fertig ist er. Dann aber kommt ein Engel herbei und gibt ihm zu essen und zu trinken. Durch die Speise gestärkt geht er dann bis zum Berg Gottes – er allein. Auf die Frage Gottes, was er dort eigentlich will, antwortet er: „Ich allein bin übrig geblieben, und auch mich wollen sie umbringen.“

„Ich werde in Israel siebentausend übrig lassen, alle, deren Knie sich vor dem Baal nicht gebeugt und deren Mund ihn nicht geküsst hat.“ (1 Könige 19,18)

Ja, das Alleinsein der Männer … Sie haben gekämpft und sind allein – oder sie haben nicht gekämpft und sind auch allein. Diejenigen, die den „Baal geküsst haben“ – die Götzendiener – sind allein in ihrer Beschämung darüber, dass sie nicht den Mumm hatten, gegen das korrupte System und dessen korrupte Religion aufzustehen; und diejenigen, die ihn nicht geküsst haben, sind allein in ihrem Aufstand und fühlen sich wie Elia in der Wüste: sterbensmüde, überfordert und verkannt. Wo sind die Gefährten?

Seit ich das Buch „Männerdämmerung“ geschrieben habe, bekomme ich alle paar Tage von irgendwoher im Lande die Rückmeldung von einem einsamen Kämpfer, der das Gefühl hat, ganz allein gegenüber dem „bösen System“ und der „korrupten Religion“ zu stehen. Niemand außer ihm scheint übrig geblieben zu sein, und er steht allein irgendwo im Nirgendwo und fragt sich, wie es überhaupt noch weitergehen kann.

Allein auf dem Gipfel

Auch wir können die Erfahrung Elias machen: Mitten in einer Grenzerfahrung, die wir notwendigerweise machen, wenn wir die Grenzen überwinden wollen, können wir erleben, wie wir übernatürliche Kraft von Gott erhalten, sodass wir weiter gehen können als wir fähig sind – viel weiter. Diese „himmlische Stärkung“ ist keine Ausnahme, die nur Elia oder anderen „großen Männern Gottes“ zuteil wird. Gott richtet sich nicht nach Größe, sondern nach Bedarf. Gehen Männer – ob groß oder klein – an die Grenzen des Möglichen, werden sie Gottes Hilfe brauchen, um über diese Grenzen hinweg zu kommen. Ohne Wunder geht es nicht. Die Bibel ist hierin ganz eindeutig.

Elia kommt zum Berg Horeb – er allein. Jeder Mann braucht dieses „Gipfelerlebnis“, wo er wirklich Gott begegnet und sich die wesentlichen Fragen klären: Wer bin ich eigentlich, was soll ich eigentlich, und wer ist mit mir?

Gott informiert Elia, dass es Tausende im Lande gibt, die wie er übrig geblieben sind. Es gibt immer diesen „heiligen Rest“: Wir haben wir den Weg durch die Wüste geschafft und sind auf dem Berg Gott begegnet. Wir haben also in Erfahrung gebracht, wer wir sind und was wir wollen. Erst dann können wir wiederkehren, um die siebentausend anderen zu finden. Jetzt sind wir in der Lage, sie zu erkennen.

Allein auf dem Weg

Wenn wir echte Männer werden wollen, ist ein Teil des Weges dorthin einsam, aber das ist nicht das Ende vom Lied. Männer müssen nicht in der Einsamkeit umkommen, aber die Lektionen der Einsamkeit müssen sie sehr wohl lernen. Ansonsten werden sie weder die Bedeutung ihrer Existenz erkennen noch die Mission ihres Lebens erfüllen.

In unserer heutigen Kirchenkultur haben wir leider kein Verständnis mehr für den Weg eines Mannes. Wir meinen, wenn er sich bekehrt hat und in die Gemeinde geht, ist alles perfekt. Wir wollen nicht akzeptieren, dass die Stunde kommt, wo er aufbrechen und in die Wüste gehen muss – er allein. Es treibt ihn eine unterschwellige Unruhe, er ist immer weniger anwesend. Es ist, als würde sein Herz schon mal vorgehen, weil es den Ruf Gottes vom Berg her hört. Doch wird der Rest des Mannes auch mitkommen? Das ist die Frage … und eine Zerreißprobe.

Seine Gemeinde kann sich einfach nicht vorstellen, dass Gott einen Mann woanders hin ruft als zu ihr und woanders zu ihm sprechen will als in ihrer Veranstaltung. „Ist das nicht Eigensinn und ein zu korrigierendes Fehlverhalten?“, mutmaßt sie. Kommt nicht auch uns jemand wie Elia ganz schön eigen und unangepasst vor? Und sein Nachfolger Elisa war da nicht besser. Was würden wir heute mit solchen Männern anfangen können? Und was sie mit uns?

Das Drama vieler Gemeinden

Bricht ein Mann also auf in die Einsamkeit, wo er seine ganz eigenen Grenzerfahrungen machen muss, hat seine Gemeinde dafür in der Regel kein Verständnis. Sie fürchtet, er „fällt ab“. Dieses Unverständnis kann einen Mann hart treffen und unnötig aufhalten oder tiefer als nötig in die Isolation treiben. Dies geschieht leider tausendfach. Wie viele Männer-Tragödien ich in dieser Hinsicht schon mitbekommen habe, ist niederschmetternd und meines Erachtens ein dunkles Kapitel christlichen Gemeindelebens. Ein Mann steht vor der Wüste, die ihn ruft, und alle warnen ihn davor und wollen ihn schnell zurückziehen in die sichere Versammlung. Aber er braucht jetzt alle Konzentration, um „seinen Engel“ zu finden. Er wird dann seinen „Weg zum Horeb“ gehen, um Gott zu begegnen – für sich ganz allein.

Wie zerrissen sind viele Männer an diesem Punkt ihrer Geschichte! Sie wissen nicht vor und nicht zurück. Sie wollen Gott suchen, aber auch die Gemeinde und ihre besorgten Ehefrauen nicht verprellen. Sie wollen es allen recht machen und verraten dabei sich selbst, ihren Weg und ihre Berufung. Das macht sie so depressiv wie Elia, der ohne die Hilfe des Engels unter seinem Ginsterstrauch gestorben wäre. Es ist ein Drama, aus dem viele Männer nicht herauskommen und dann wirklich „verloren gehen“, um nie wieder aus der Wüste herauszukommen.

Hat aber trotz aller Widerstände alles geklappt, kommt ein Mann gereift wieder aus der Wüste hervor und sucht seine Brüder, seine Kampfgefährten. Da kann er manchmal lange suchen, denn nicht jeder männliche Gemeindebesucher hat seinen Elia-Weg schon gemacht und versteht, dass es einen solchen Weg für ihn überhaupt zu gehen gilt. Viele Gemeinden müssten damit aufhören, ihr Programm für Männer zu optimieren; besser wäre es, sie würden Prozessbegleiter für „Männer auf dem Weg“ werden, denn uns fehlen die Elias.

Netter Bruder oder wilder Kerl?

C.S. Lewis hat einmal gesagt: „Wir kastrieren den Hengst und verlangen anschließend, dass er fruchtbar sein soll.“ Der angepasste „nette Bruder“ ist ruhig und zahm. Mit dem kommen wir in der Kirche viel besser zurecht als mit dem wilden Kerl.

Jedoch fehlt dem netten Bruder etwas Wesentliches: Es hat mit der eigenen Identität zu tun, die Mann unmöglich durch ein Kirchenprogramm empfangen kann. So gut es auch sein mag, das kann es einfach nicht leisten. Wir haben schon wenig genug Männer in den Gemeinden. Von diesen haben noch weniger so etwas wie „Format“ oder „Persönlichkeit“. Nur wenige bringen geistlich reife Frucht hervor. Diese Eigenschaften gewinnt ein Mann in existenziellen Krisen und Grenzerfahrungen. Sie sind dort, wo eigentlich niemand freiwillig hingehen will. Wir meiden das Risiko, wir bauen mit aller Kraft auf Sicherheit und Versorgung. Elia aber wurde eben das entzogen, er musste den unbekannten Weg und den Weg des Risikos auf sich nehmen, um weiterzukommen. Und diesen Weg geht Mann noch immer allein. Niemand kann es ihm abnehmen oder einfacher machen als es ist.

Jesus fordert heraus

Jesus brachte seine Jünger ganz bewusst und ständig in solche Grenz-Situationen, die Evangelien sind voll von solchen Episoden. Mehr als einmal ging es um Leben und Tod, denken wir nur an die verschiedenen Sturmerlebnisse auf dem See Genezareth. Er ließ sie Erfahrungen mit unmöglichen Herausforderungen machen, denn da erkannten sie, wie es um ihren Glauben wirklich bestellt war. In der kuscheligen Gemeindeveranstaltung kann Mann sich viel auf seinen Glauben einbilden. Aber in der Wüste, in der Krise, in der Einsamkeit, im Sturm – dort schauen wir in einen Spiegel der Wahrheit. Dort erkennen wir, wer wir wirklich sind – jenseits aller Konventionen und Rollen, die wir gelernt haben, zu spielen, auch in der Kirche.

Der Dienst von Jesus selbst beginnt in der Wüste (Mk 1,12f.; Lk 4,1f.). Er ist allein, und auch dort ist die Rede von Engeln, die ihm dienen. Auch dort geht es um die Berufung, die er zu erfüllen hat. Es ist der Elia-Weg. Er hat sich bis heute nicht geändert.

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Dieter D.
Dieter D.
5 Jahre zuvor

Ja Frank, darin sehe ich mich – zumindest teilweise – aber ich kann nicht sagen, an welchem dieser genannten Stationen ich gerade bin.
Mein Herz ist oft auf der Suche nach der Begegnung mit dem Herrn Jesus, und meistens fühle ich mich frustriert, alleine, depressiv, …. und vieles andere mehr.