Mentor werden

Mentoring
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Mentor werden

Was ist ein Mentor? Was ist Mentoring? Ein Begriff aus der Wirtschaft, der seit einiger Zeit auch Einzug bei Christen hält? Gar eine weitere Methode, damit Gemeindemitglieder schneller Verantwortung in ihrer Gemeinde übernehmen können? Oder etwas, das schon lange existiert, aber gerade in unserer Zeit erneut seinen Platz finden muss?

Was ist ein Mentor?

Es gibt in der Tat viele Ansätze, die unter Mentoring angeboten werden. Man kann von Strategien und Methoden lesen, kann sich Arbeitsmaterialien beschaffen und wird angeleitet, wie man sie umsetzen kann. Das Wichtigste kann dabei aber leicht vergessen werden!

Ein Blick ins Lexikon hilft hier weiter: Der Begriff „Mentor“ kommt aus dem Griechischen und beschreibt dort einen väterlichen Freund. Damit kommt einer der ganz zentralen Elemente christlichen Lebens ins Spiel: Beziehung. Ist es nicht das, was unseren Glauben vom Kern her von anderen Religionen abheben sollte? Die gelebte persönliche Beziehung zu Jesus, zu meiner natürlichen wie auch geistlichen Familie, aber auch zu meinem sozialen Umfeld? Ist es nicht auch genau das, was wir am meisten brauchen, wenn es um die eigene Persönlichkeitsentwicklung geht?

Mit Blick auf unsere zunehmend vaterlose Gesellschaft und dem hieraus entstehenden Mangel an väterlichen Vorbildern könnte insbesondere christliches Mentoring eine mögliche Antwort auf die Probleme in unseren eigenen Reihen sein. Besonders wir Männer sind so sehr auf konkrete Vorbilder angewiesen: auf reifere Männer, die uns Ratgeber, Begleiter, „Sparringspartner“ und eben väterliche Freunde sind.

Unterschiede zwischen Seelsorge, Coaching und Mentoring

Bei allen drei Formen geht es um die Interaktion zwischen meist zwei Personen: dem Ratsuchenden und dem Ratgeber/Seelsorger/Coach etc. Inhaltlich lassen sich diese Formen wie folgt voneinander unterscheiden:

Bei der Seelsorge geht der Blick in die Vergangenheit, deren Aufarbeitung, Sündenvergebung, möglicherweise auch Befreiung. Der Seelsorger gibt dem Ratsuchenden im Dialog Empfehlungen, hört zu, tröstet und begleitet den Ratsuchenden oft über einen längeren Zeitraum. Neben praktischen Lösungsangeboten finden sie ihren zentralen Ausdruck im Dialog mit Gott, dem Gebet. Menschen mit unterschiedlichen Nöten finden hier Hilfen oder zumindest Antworten.

Coaching wendet sich an stabile Menschen, die sich in klar umrissenen Einzelbereichen weiterentwickeln möchten. Der Blick ist somit in die Zukunft gerichtet auf klare Ziele, die der Klient definiert. Der Coach selbst fungiert nicht als Ratgeber, sondern als jemand, der durch gezieltes Fragen und Methodenkenntnisse dem Klient dabei hilft, die zur Weiterentwicklung notwendigen inneren Prozesse anzustoßen und zu reflektieren. Der Prozess ist zeitlich und thematisch begrenzt.

Mentoring grenzt sich deutlich von den anderen Bereichen ab: Es ist vergleichbar mit dem Lehrling-Meister-Modell, bei dem sich die unerfahrenere Person für einen längeren Zeitraum einer reiferen Person anschließt, um von dieser praktische Fähigkeiten zu erlernen, fachliche Empfehlungen und Korrektur zu erhalten, um selbst eines Tages in die Meisterschaft zu gelangen. Auch wenn Wissensvermittlung dazugehört, so steht die Vermittlung von praktischen Fähigkeiten (=Skills) im Mittelpunkt.

Mentor werden

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie sehr reife Mentoren positiven Einfluss auf eine ausgewogene Persönlichkeitsentwicklung nehmen können? In der ersten Phase als junger Christ sind wir meist sehr stark darauf angewiesen, dass wir Vorbilder haben, die uns konkret vorleben, wie christliches Leben in den Alltag übersetzt wird. Hier brauchte es konkrete Hilfestellungen, um Altlasten aufzuarbeiten (etwa mit Hilfe eines Seelsorgers). Ebenso benötigt es neben der Bibel möglichst praktische Anleitungen und eben Menschen, welche die Andersartigkeit des Lebens als Christ real vorleben. Gerade hier sind reifere Christen als väterliche Freunde – also Mentoren – gefragt! Sie werden gebraucht, um in Geduld, persönlicher Hingabe und als Vorbild junge Christen auf dieser ersten Wegstrecke zu begleiten.

Tun Sie dies? Wenn nicht: Sind Sie bereit, sich dieser Verantwortung zu stellen?

Irgendwann entsteht für die meisten Christen die Bereitschaft, sich selbst einzubringen zu wollen, Aufgaben und Verantwortung zu übernehmen. Auch hier sind Mentoren gefragt: Wer leitet solche Menschen an, gibt ihnen die notwendigen Tipps und Tricks für die jeweilige Aufgabe und hilft ihnen, die übernommene Aufgabe zur Meisterschaft zu führen? Aber es geht noch weiter: nämlich den Mentee selbst in die Rolle eines Mentors hineinzuführen.

Wenn Sie ein solcher Mentor werden wollen, ist es gut, wenn Sie selbst väterliche Freunde haben, die Ihnen dabei helfen, nachhaltig positive Spuren im Leben Ihrer Mentees zu hinterlassen.

Am Ende der eigenen Persönlichkeitsentwicklung steht die Vaterschaft (im biologischen oder übertragenen Sinne): Ich muss mich nicht mehr beweisen, muss nicht mehr im Wettbewerb mit den Jüngeren stehen, sondern kann diese fördern und fordern. Das Ziel dabei ist, den Mentees, aber auch den nachrückenden Mentoren dabei zu helfen, dass sie zur vollen Entfaltung ihrer Fähigkeiten finden und im Idealfall an mir selbst vorbei wachsen.

Wo stehen Sie selbst in diesem Prozess? Wo soll Ihre eigene Reise hingehen? Und welche Schritte werden Sie konkret unternehmen?

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